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Title Me Too
Originaltitle: Y tu mamá también
Regie: Antonio Naharro, Álvaro Pastor
Darsteller: Lola Dueñas, Isabel García Lorca, Pablo Pineda, Antonio Naharro
Erscheinungsjahr: 2009
Land: Spanien
Stichwort: Downsyndrom, Alkoholismus, Behindertenfilm
Release: 00.00.2009

Handlung
Der 34jährige Universitätsabsolvent Daniel arbeitet bei der Stadtverwaltung. Hier lernt er Laura, eine attraktive Blondine, kennen, die gern trinkt, sexuell freizügig ist und ständig gegen den Stachel löckt. Die beiden verlieben sich ineinander. Laura will aber – seltsam – keinen Sex mit Daniel, der mit dem Down Syndrom geboren wurde. Hat sexueller Missbrauch in der Kindheit sie der Liebe entfremdet? In einer Parallel-Geschichte wird die hindernisreiche und letztlich unerfüllt bleibende Liebe zweier junger Menschen mit Down Syndrom hier und Kindheitstrauma dort erzählt.



Weitere Info
Vom Down Syndrom und der illegalen Liebe

Die folgende Kritik und teilweise sehr kritische Sicht auf "Yo tambien", ein hohes Lied auf Liebe und Down Syndrom scheint dessen Besonderheit nicht gerecht zu werden. Autoren und Produzenten des Films und anscheinend die gesamte sehr positive Filmkritik werden nicht müde hervorzuheben, wie originell und mutig der Film sich für die Rechte und Wünsche nicht nur von Menschen mit Down Syndrom sondern auch für alle Menschen mit Behinderung einsetzen – endlich einmal. Und ganz Unrecht haben sie nicht. Wie kritisch man auch immer stehen mag zu Daniels Geschichte, es lohnt sich, sie anzuschauen und darüber nachzudenken, wie weit entfernt doch unsere Epoche ist von vorurteilslosem Akzeptieren Behinderter. "Rat mal wer zum Essen kommt" hatte eine positivere Botschaft zu verkünden in Zeiten akuter Rassenvorurteile in den USA!

Daniel, dessen Schauspieler Pablo Pineda sich und seine Erfahrungen als Mann mit Down Syndrom selbst spielt, macht durchaus glaubhaft, dass Behinderung eine von gesellschaftlichen Urteilen aufgezwungene Lebensform sein kann. Ihm fehlt nichts. Er hat es gegen alle Erwartungen geschafft: Bildung, Beruf, Humor und sogar eine echte Geliebte.

In der Filmliteratur könnte man ihn unter die „Superkrüppel“ einordnen, eine jener seltsame Heldengestalten, die trotz Behinderung und Vorurteilen das Leben meistern und dem Filmzuschauer zeigen, „es geht doch“. Damit wird er zu einem nahen Verwandten des einsamen Heroen, wie ihn Hollywood liebt und in „High Noon“ etwa verewigt hat.
Die spanischen Regisseure von „Me too“ (Yio tambien) widerstehen allerdings der Versuchung ihren Helden mitsamt der Geliebten siegreich in den Sonnenuntergang reiten zu lassen. Daniel wird von Laura zwar das ersehnte Liebeserlebnis zugestanden, aber nur einmal. Und dann? Unhappy End.

Um zu verstehen, warum es geht, ist Daniels Geschichte ein wenig anders zu erzählen als sie anscheinend allgemein gesehen wird. Im Film und in den Texten über ihn taucht Daniel und damit Pablo Pineda als eine absolute Ausnahmeerscheinung auf. Er ist angeblich der „einzige Europäer“, der trotz seiner Besonderheit einen Hochschulabschluss hat machen können. Dass dies an vorurteilsbehafteten Richtlinien oder besonderer Abneigung gegen Menschen mit Down Syndrom liegt, wird nicht behauptet. Woran es liegt, wird aber auch nicht gesagt.

Der Held mit dem Down Syndrom ist also nicht erfolgreicher Vertreter seiner Spezies sondern eine unerklärliche Ausnahmeerscheinung. Warum er dann für das Schicksal und die Erfahrung vieler steht, bleibt unklar.

Und Laura? Sie möchte Daniels Freundin sein und ist es auch. Sie mag ihn. Sie hat ihn gern um sich. Sie ist zärtlich zu ihm. Als Daniel sie dann nach einigem Zögern wie viele junge Männer, die sich nicht zum Frauenheld geboren fühlen, endlich fragt, ob er zu ihr nachhause kommen kann, sagt sie Nein. Dass sie selbst dem zufälligen Sex nicht abgeneigt ist, weiss der Zuschauer schon. Warum sie nicht mit Daniel ins Bett gehen will, findet er durch seine Syndrom-Besonderheit leider zu begründet.

Daniel ist – wie der wohlmeinende Zuschauer – schockiert. Während dieser Verständnis aufbringen mag, bleibt jener schockiert. Dieser hat nichts gegen Menschen mit Down Syndrom – aber anders sind sie halt doch und darum …….. Jener hat liebenswert aber hoffnungslos aufbegehrt gegen die so oft erfahrene Zurückweisung.

Auf der Dachterrasse der Stadtverwaltung, wo sich die beiden jungen Leute in ihrer Besonderheit und Wehmut in gemeinsamer Einsamkeit gefunden haben, stellt Daniel am „Morgen danach“, der ja nicht stattgefunden hat, Laura zur Rede. Daniel: „Ich will nicht ein Freund sein. Ich will dein Freund sein.“ – Laura: „Daniel, das geht nicht. Vielleicht ist das nicht einmal legal.“ – Daniel: „Ich werde dich nicht anzeigen.“ Weswegen? Umgang mit Behinderten? Hat der Rezensent richtig gesehen und gehört hat, ist davon im Film nicht mehr die Rede.

Wenn eine attraktive, selbstbewusste Blondine mit einem schüchternen aber selbstbestimmten Angestellten einer Stadtverwaltung, der als einziger Europäer mit Down Syndrom einen Hochschulabschluss hat, ins Bett geht, verstösst sie dann gegen das Gesetz??? Und mit diesen überdimensionalen Fragezeichen wird der Filmbesucher entlassen?
Wer bislang mit den Filmautoren, den Produzenten, den Verfassern der zum Film gehörenden Broschüre für die Schulen und den positiv gestimmten Filmkritikern sympathisiert hat, wird ratlos. So also sieht Aufklärung über Behinderung aus? !

Die Filmautoren sind sichtlich aufgeklärt über das Down Syndrom und alle, die damit geboren werden. Sie berufen sich auf Authentizität, weil ein Mann mit Down Syndrom – ein Betroffener also – sich selbst darstellt. Sie haben offensichtlich die besten Absichten. Sie belegen aber damit, dass all dies nicht ausreicht, um authentische und hilfreiche Spielfilme über Menschen mit Down Syndrom zu drehen.

Denn sollte es nicht erlaubt sein, Sex mit selbstbestimmten Menschen mit Down Syndrom zu machen, so haben diese wirklich ein Problem. Der Filmzuschauer hat es in jedem Fall. Er weiss nun nicht, ob er die Daniels und alle seine angeblich minder gebildeten „Leidensgenossen“ – hier bietet sich das fragwürdige Wort wirklich an – besonders zu behandeln gesetzlich gezwungen ist.

Ohne mit den Autoren des Films die Frage geklärt zu haben, ist es schwer darüber zu urteilen, ob diese die Wahrheit über selbstbestimmte Menschen mit Down Syndrom unterschlagen haben, ob ihnen ein entscheidender Dialog misslungen ist oder ob sich ihnen zwei Handlungsstränge ihres Films an einer Dialogstelle verwirrt und verknotet haben.

Letzteres ist durchaus möglich, wenn man „Me too“ losgelöst von den Problemen der Menschen mit Down Syndroms sieht, mit deren Hilfe er sich anscheinend gut vermarkten lässt. Geht es aber nicht um deren Belange sondern um ein Psychodrama, für dessen Entwicklung der junge Mann mit dem Down Syndrom nur eine nützliche Motivierung ist, dann könnte man den Filmplot auch anders lesen:

Laura, eine attraktive Blondine aus der Stadtverwaltung schläft wahllos mit jeder Zufallsbekanntschaft und ist auch sonst ziemlich rebellisch. Als sie endlich einen jungen Mann kennen lernt, der sie liebt und der ihr passt, verweigert sie ihm – aber auch sich selbst - die sexuelle Erfüllung. Der Grund liegt in ihrer Kindheit. Sie ist vor dem Vater ausgerissen und nie wieder heimgekehrt. Obwohl der Vater im Sterben liegt und obwohl die Familie sie dringend heim ruft, geht sie nicht. Als er tot ist, erfährt sie von ihren Verwandten, dass der Vater sie auf dem Sterbebett hätte um Verzeihung bitten wollen. Laura kann nicht wirklich lieben, weil die Liebe in ihr gestorben ist.

So gesehen ist „Me too“ die spannende und berührende Geschichte eines Traumas, die Tragödien einer jungen Frau, die fürs Leben geschädigt, unsichtbar behindert ist. Die Filmgeschichte kennt nicht nur gut gemachte Filme über Menschen mit Down Syndrom. Sie lebt noch häufiger von Tragödien wie dieser, die im übrigen traurig aktuell zu sein scheint. Ob Lauras Unfähigkeit zu lieben mit sexuellen Vergehen gegen Kinder zu tun hat, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die Filmautoren, die sehr mitteilsam sind in Sachen Down Syndrom, sind seltsam zurückhaltend in diesem Punkt. Laura gilt ihnen durchweg nur als „unangepasst“. Lauras Familiengeschichte spielt sich zudem fast nur im Film und eigentlich nie in den Texten darüber ab.

Aus der Sicht von Lauras Tragödie, ist Daniels Geschick eher Nebensache und eine geschickte Hilfskonstruktion. Dem Zuschauer muss ja glaubhaft gemacht werden, dass Laura Sex aber keine erfüllte Liebe zu geben in der Lage ist. Dafür braucht sie neben den vielen Sexpartnern einen, der es ernst mit ihr meint. Lauras Weigerung wird psychologisch nur einsichtig, wenn sie aus Liebe erwächst. Und Daniel ist schliesslich genau dieser Typ: sympathisch, fähig, verliebt, ein Fall zum Verlieben. Da sagt Laura psychologisch zu Recht nein, wenn er mit ihr ins Bett gehen will.

Behinderung im Spielfilm findet sich immer wieder als „Hilfskonstruktion“: die blinde oder hörgeschädigte junge Frau, die sich als Opfer anbietet; der extrem geschädigte Erfolgsmensch, der sich erneut nach oben arbeitet; der Verunstaltete, der wider Willen zum Dämon wird; die Absonderliche, die zur Bewährungsprobe für den Oberflächlichen wird; der Stotterer, der gegen alle Erwartungen eine packende Rede hält..............

Es ist kein Widerspruch, Reklame zu machen für „Me too“ und zu sagen: Sehenswert. Denn dieser Film zeigt, woran Menschen mit Down Syndrom – ganz abgesehen von ihrer Gesundheitsverfassung – leiden. Er zeigt aber auch, dass die besten Absichten in Sachen Behinderung Spielfilme nicht davor schützen, die Sache selbst aus den Augen zu verlieren. Zu gross ist die Versuchung zur Bevormundung und leider auch die, sich mit den Problemen behinderter und kranker Menschen schön zu reden.

Einmal mehr interessiert den Spielfilm nicht der Alltag des behinderten Menschen sondern das Besondere an seiner Behinderung. Einmal mehr wird der Behinderte zum Opfer – auch des Drehbuchs. Und daraus ist Spielfilmen kein Vorwurf zu machen, lebt der Film doch davon, dass er unterhält. Dass ihm dabei noch eine den Zuschauererwartungen gegenläufige Aufklärung über die dargestellten Probleme gelingt, ist selten.

Für „Me too“ spricht, dass er ausführlich und unterrichtet von Menschen mit Down Syndrom handelt. Daniels Schicksal ist dem Zuschauer aber durchaus vertraut – gerade in der Schlusswende. Menschen mit Down Syndrom sind halt dazu vorbestimmt, in ihrem berechtigten (berechtigten?) Ambitionen zu scheitern. Begehre auf, wer mag. Am Schluss ist der Betroffene doch getroffen und muss sich bescheiden.

(stefan heiner, 4.3.2011)

Das spanische Regie- und Drehbuch-Paar hat 2002 einen Kurzspielfilm vorgelegt, in dem es um ein junges Mädchen mit Down-Syndrom geht, das einer Journalistin in der Liebe überlegen ist. (Uno mas, uno menos) Auch diesmal erweist sich der Mensch mit Behinderung als der "klügere". Aus dem Film-Essay über kluge und unterschätzte Menschen mit Down-Syndrom ist nun ein abendfüllender Spielfilm geworden. Dem Regiepaar ist es wieder gelungen, viele Betroffene der "Szene" einzubeziehen.



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