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Title Schandfleck, Der
Originaltitle: Schandfleck, Der
Regie: Jakob und Luise Fleck
Darsteller: Liane Haid, Max Brebeck, Karl Ehmann, Frl Mank, Hans Rhoden, Eduard Sekler
Erscheinungsjahr: 1917
Land: Österreich
Stichwort: Epilepsie, Literaturverfilmung
Release: 00.00.0000

Handlung
Leni, das dritte Kinder des Bauernehepaars Reindörfer ist eigentlich Kind des Müllers, der die Reindörferin verführt hat. Nichts ahnend verliebt sie sich in ihren Halbbruder Florian. Als ihr Vater die Ehe strikt ablehnt, erfahren die beiden jungen Leute, dass sie Halbgeschwister sind. Leni verlässt die Familie, für die sie ein Schandfleck ist. Sie verdingt sich als Magd beim Grasbodenbauern für dessen kranke Tochter Burgel. Bauer und Magd verlieben sich ineinander und heiraten zuletzt.


Weitere Info
nach dem gleichnamigen Roman von Ludwig Anzengruber (1877)
siehe weitere Verfilmungen:
Herbert B. Fredersdorf (Österreich, 1953)
Julian Pölsler (Deutschland, 1999)

Anzengruber beschreibt im Roman ausführlich und "unorthodox" einen nächtlichen Anfall von Burgel:

Burgel und Leni schlafen im gleich Zimmer.
"..... plötzlich schreckte sie (Leni) empor, von der Wand gegenüber tönte ein eigentümliches Geräusch; wie unruihig musste sich das Kind gehaben, da das Bett unter ihm schütterte?
'Kein Licht', rief das Kind, 'kein Licht Leni.' Aber es sprach das mit so entstellter Stimme, dass Magdalena sich nur schneller mühte, Licht zu gewinnen, und als jetzt der Docht der Kerze aufflammte und sie hinzutrat, da streifte ihr Fuss an die herabgewühlte Decke und im Bett lag das Kind, den kreidigweissen Körper entblösst, jedes Glied desselben unter regellosen, wilden Zuckungen herumgeworfen, das Auge stier, den Mund verzerrt...............
Burgel: "Den Veitstanz, sagen's, hätte ich. Da siehst, wie das ist. Ich bin nit Herr über meine Füss, nit über meine Händ', bald auch über mein' Zunge nit. Unterdrück ich's tagüber mit aller G'walt, überkommt's mich Nachts nur ärger
.................Eine lange, bange Weile verstrich, so länger, je bänger sie war, dann löste sich der Krampf, die Ärmchen glitten matt und müde herab, das Kind lag ruhig und verfiel in Schlaf." (139 / 140, Ausgabe Deutsche Volksbücherei)

Der Schandfleck: Roman und Film

Ludwig Anzengrubers* Roman „Der Schandfleck“ (1877, überarbeitet 1884) schildert das Schicksal einer jungen Frau - Magdalena -, die als Folge eines Ehebruchs zur Welt kommt.
Die Bauersfrau Maria Reindörfer hat sich mit einem „Lumpen“ eingelassen. Ihr Mann versucht den „Schandfleck“, der daraus hervorgeht, vor der Welt zu verbergen. Er nimmt das Kind als sein eigenes an.
Als die Wahrheit ans Licht kommt, verlässt Magdalena Familie und Heimat, um sich beim verwitweten Grasbodenbauer Simon als Magd zu verdingen. Sie betreut seine epilepsiekranke Tochter Burgel. Mit der Zeit finden Herr und Magd zueinander. Burgel bekommt eine neue Mutter.
„Der Schandfleck“ ist die Geschichte der bodenlosen Angst vor der Treulosigkeit des Lebens. Nicht einmal das Vertrauen zum geliebten Menschen garantiert und schützt vor ihr.
Epilepsie, das unerwartete, mysteriöse Versagen bewussten Wollens, ist auch ein Beleg dieser urmenschlichen Unsicherheit. Ihr Schrecken lässt sich - so der Roman - durch Ausharren und Beschützen eindämmen. In der Form der alles verzeihenden Liebe (Vater Reindörfer, Leni) bleibt dies Verhalten ein Ideal, das gerade die traditionale agrarische Welt, die Anzengruber erstaunlich unverstellt porträtiert, nicht gewähreleistet. (Versuche, Anzengruber für den Heimatfilm zu rekrutieren, sollten daher scheitern.)
Im Roman heilt Liebe, die dem Drang zum Beschützen entspringt, zum Schluss die Wunden des ursprünglichen Vertrauensbruchs.
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* Ludwig Anzengruber (geboren 1839 in Wien, 1989 dort gestorben) beschrieb in Theaterstücken und Romanen das bäuerliche Leben seiner Zeit. Heute fast vergessen, früher viel gelesen: Zeugnis davon geben noch die vielen Ausgaben seiner Werke - in wiener und münchner Buchantiquariaten.

Fredersdorf (1953)
Hier wird nur kurz erwähnt, dass Burgerl krank ist. Dass sie der Stoffpuppe, die ihr Vater vom Jahrmarkt mitgebracht hat, keinen Namen geben will, dass sie sich und die Puppe "schlecht" findet, wird im Film nicht begründet. Leni "heilt" Burgel, die ihre Mutter früh verloren hat und seit Jahren allein mit dem schwermütig gewordenen Vater lebt, indem sie die Mutterstelle einnimmt. Burgerls Zustand taucht nur als "seelisches Leiden" auf.

Pölsler, Julian, Der Schandfleck (Deutschland / 1999)
vom Bayrischen Rundfunk gesendet am 31.10. u. 1.11.1999
Weitgehend textgetreue Umsetzung des Romans, anrührend gespielt, eine atmosphärisch dichte Bauernsage, in der, anders als im Roman, Epilepsie nicht den Grundton angibt, sondern Episode bleibt.
Der Ausbruch von Burgels Epilepsie wird psychologisch begründet (Trauma auf Grund des dramatischen Todes der Mutter). Ihre nächtlichen Anfälle bzw. „Zustände“, die Magdalena zu Tode erschrecken, werden in ihrem panischen Verhalten praktisch nur gespiegelt gezeigt.
Die Überwindung der Angst wirkt wie eine Therapie. Burgel ist von da an „anfallfrei“, ja geheilt. Als verliere die Epilepsie schon ihre Kraft, wenn es nur der Umgebung gelingt, Burgels Angst vor dem Anfall zu überwinden.
(Stefan Heiner)


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