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Title Geliebte Clara
Originaltitle: Geliebte Clara
Regie: Helma Sanders-Brahms
Darsteller: Martina Gedeck, Pascal Greggory, Malik Zidi
Erscheinungsjahr: 2008
Land: Deutschland
Stichwort: Syphilis, Psychose, Psychiatrie, Anstalt, Hirnoperation, Selbstmord
Release: 00.00.0000

Handlung
1850: Die Familie Schumann siedelt von Leipzig nach Düsseldorf um, wo Schumann eine Stelle als Musikdirektor angeboten wurde. Die berühmte Klaviervirtuosin Clara Wieck, die Schumann gegen den Willen des Vaters geheiratet hat, muss ihren immer mehr ihr in Krankheitszustände und Psychosen versinkenden Mann ersetzen. Musikalische Erfolge bessern diese nicht. Das Zusammentreffen mit Johannes Brahms führt zu einer leidenschaftlichen Dreiecksbeziehung. Nach einem theatralischen Selbstmordversuch und gewalttätigen Auseinandersetzungen begibt sich Schumann "freiwillig" in psychiatrische Behandlung. Vier Jahre später ist er tot. Clara und Johannes bleibt lebenslang einander verbunden.



Weitere Info
Schumanns Krankheit zieht sich als einer der roten Fäden dramatisch und wohl biographisch stark verfälscht durch das Filmepos (siehe unten). Sie erscheint nicht als Lebens- und Schaffensbedingung Schumanns sondern als finsteres Schicksal, das den Film mit erschreckenden, aber kaum Mitleid erregenden Szenen auszustatten hilft. "Nietzsche" und "Leverkühn" standen dafür wohl Pate. Für die Zustände in der Psychiatrie macht der Film die üblichen Anleihen bei "Einer flog über's Kuckucksnest" und "Shock Corridor".
Drehbuch und Regie setzen Schumanns Leiden allerdings nicht als Bedingung übermenschlicher Schaffenskraft sondern als Hindernis auf dem Weg zur Normalität eines genialen Musikers und seiner Liebe zu Clara ein. Diese wird als nicht frei von männlicher Egozentrik geschildert.
Schwer verständlich ist im Film die Distanz, die Clara zu ihrem kranken Mann hält. Brahms muss sie anflehen, ihn Jahre nach der Einlieferung in die Klinik, wo er dem Film nach grausamen Eingriffen ins Gehirn ausgesetzt ist, zu besuchen. Und schon stirbt der Patient in den Armen seiner Frau.

Dabei wäre es nicht schwer gewesen das Krankheitsgeschehen durch Einblenden des behandelnden Arztes realer Diagnose zu versachlichen. Dr Richarz: »progressive Paralyse« (Hirnerweichung als ein finales Stadium einer Spätsyphilis).

Zu Schumanns Krankheit:

http://www.aerzteblatt.de/archiv/19270/Die-Krankheit-Robert-Schumanns-Eine-anruechige-Diagnose
Die Krankheit Robert Schumanns: Eine anrüchige Diagnose?
Dtsch Arztebl 1999; 96(40): A-2521 / B-2151 / C-2015
Autor: Skubella, Ulrich

Zum Zusammenbruch bei Robert Schumann kam es Anfang 1854 in Düsseldorf. Schumann war damals 44 Jahre alt. Am 10. Februar traten akustische Halluzinationen auf. Schumann stand nachts auf und notierte ein Thema, "welches ihm die Engel vorsangen". Am Morgen verwandelten sich die Stimmen in ein gräßliches Gekreisch von Dämonen, die sich auf den Kranken zu stürzen drohten. Der hochgradig erregte Patient war kaum zu bändigen. Dieser Zustand hielt über mehrere Tage an. Schumann drängte auf seine Einlieferung in eine Heilanstalt. Am Rosenmontag, dem 27. Februar 1854, unternahm er einen Selbstmordversuch. Am 4. März wurde er, begleitet von zwei kräftigen Wärtern, in die Irrenanstalt des Dr. Richarz in Endenich bei Bonn gebracht. Dort starb er zwei Jahre später, am 29. Juli 1856.
Auch die Heirat mit Clara Wieck brachte keine Beruhigung des mit heftigen inneren Konflikten ringenden Künstlers. Die Heirat war 1840 gegen den Willen des alten Wieck per Gerichtsbeschluß durchgesetzt worden. Im Jahr 1842 notiert er "Schwindelanfälle" und "große Nervenschwäche". Auf einer Konzertreise nach Rußland im Jahr 1844 litt er unter "trübster Melancholie" und mußte wegen wiederholter Schwindelanfälle tagelang das Bett hüten.
Berufliche Mißerfolge kamen hinzu: Nicht er, sondern Niels W. Gade, der dänische Komponist, wurde zum Leiter der Gewandhauskonzerte in Leipzig berufen. Clara schrieb, es seien nun schreckliche Tage gefolgt, Robert habe keine Nacht geschlafen, er habe sich gänzlich aufgegeben. Ein Jahr später, 1845, kamen beängstigende Hörstörungen hinzu, er vernahm ein beständiges Singen und Brausen im Ohr.
Entfremdung
Für Clara Schumann dürften dieses ewige Kränkeln und die beunruhigenden Gesundheitsstörungen ihres schwierigen und in den praktischen Dingen des Lebens ungeübten Mannes eine große Belastung gewesen sein. Denn sie hinderten sie an der Realisierung ihres Lebenskonzepts, und das basierte eindeutig auf ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin. Vielleicht stärker noch als die Krankheiten ihres Mannes behinderten sie die rasch aufeinander folgenden Schwangerschaften mit Wochenbett und Stillzeit. Die Entfremdung zwischen den Ehegatten nahm ihren Lauf. Im Jahr 1850 siedelte die Familie von Leipzig nach Düsseldorf um; Schumann war zum Städtischen Musikdirektor berufen worden. Jetzt sah die Zukunft wieder rosiger aus, aber schon bald wurde deutlich, daß Schumann die ihm übertragene Funktion nicht ausüben konnte. Er war nicht belastbar, mußte während der Proben aus Erschöpfung häufig pausieren und ließ jede Autorität und Durchsetzungsvermögen vermissen. Erschwerend kamen Artikulationsstörungen hinzu. All dies, außerdem das Fehlen von Organisationstalent und physischer Ausdauer, machten seine Stellung unhaltbar.
1853, im Jahr vor der Katastrophe, hatte sich die Lage dramatisch zugespitzt: Als Städtischer Musikdirektor stand er vor dem Aus, seine kompositorische Inspiration lag darnieder, seine Ehe war zerrüttet, die Gesundheit zerstört. Tagaus, tagein quälten ihn Schwindelanfälle, Gehörtäuschungen, Schlaflosigkeit und schwere Depressionen. Im Juni 1853 befiel Schumann ein "Nervenschlag".
Erstaunlich ist, daß sich Schumann schon wenige Wochen nach der Einlieferung in die Heilanstalt in Endenich gut erholt hatte. Clara Schumann besuchte ihren unglücklichen Mann allerdings nicht. Als Schumann dies realisierte, versank er zunehmend in Lethargie und Apathie. Monate vor seinem Tod traten wieder Geruchs- und Geschmackshalluzinationen auf. Sprechen konnte er nicht mehr. Anfang Juli mußte er wegen Tobsuchtsanfällen in die sogenannte Tobezelle der Anstalt. Von Dr. Richarz über das bevorstehende Ende informiert, raffte sich Clara Schumann zu einem Besuch in Endenich zusammen mit Johannes Brahms auf. Robert Schumann starb am 29. Juli 1856.

Verfall der Organisation
Im Stile seiner Zeit erkannte Richarz als Ursache ein "unangemessenes geistiges, zumal künstlerisches Produzieren", was jene "durch Überanstrengung herbeigeführte Krankheit" auslöste. In einem Artikel, der am 15. April 1873 in der "Kölnischen Zeitung" erschien, wird derselbe Dr. Richarz etwas deutlicher, das heißt, man hat den Eindruck, daß er mehr einen physischen, organischen Prozeß im Auge hat, wenn er schreibt: "Schumanns letzte verderbliche Krankheit war nicht eine primär-spezifische Geisteskrankheit. Sie bestand vielmehr in einem langsamen, aber unaufhaltsam sich vollziehenden Verfall der Organisation und der Kräfte des Gesamtnervensystems in Form der unvollständigen Paralyse."
Progressive Paralyse
Daß Dr. Richarz mit Paralyse die Spätkomplikation einer syphilitischen Infektion meinte, ist eher unwahrscheinlich - die Zusammenhänge wurden erst nach der Jahrhundertwende klar. Immerhin hatte er nach Schumanns Tod eine Obduktion veranlaßt oder selbst durchgeführt und darüber ein Protokoll verfaßt, in dem von einer Hyperämie im Bereich der Hirnbasis die Rede ist, von Knochenwucherungen an der Basis, von Verdickungen und Verwachsungen der beiden inneren Hirnhäute mit der Rindensubstanz sowie von einer Hirnatrophie. Dieser pathologisch-anatomische Befund spricht für einen chronischen Entzündungsprozeß des Gehirns und für einen daraus resultierenden Schwund des Gehirns, wie er typisch ist für das Endstadium der progressiven Paralyse. Dieser Entzündungsprozeß stört und zer-stört mannigfaltige Funktionen des Gehirns. Alle Symptome des an progressiver Paralyse Erkrankten sind der Störung oder Zerstörung bestimmter, genau definierbarer anatomischer Strukturen zuzuordnen. Schwindelanfälle können erklärt werden als Störungen der Koordination infolge destruktiver Prozesse an bestimmten, für die unbewußte Motorik bedeutsamen Strukturen. Bei Schumann traten sie schon früh auf und verließen ihn bis zum Ende seines Lebens nicht mehr. Die Symptome am Auge: Typisch für die syphilitisch bedingte progressive Paralyse ist die einseitige weite und lichtstarre Pupille, das vom schottischen Augenarzt Argyll-Robertson 1869 beschriebene und nach ihm benannte Phänomen. Dieses Augensymptom ist häufig, aber nicht obligat, in rund 20 Prozent der Fälle kann es fehlen. Bei Schumann fehlte es, aber was den Zeitgenossen auffiel, waren seine abnorm weiten Pupillen. Auch die Störungen der Sprache, insbesondere der Artikulation, sind ohne Schwierigkeiten einem pathologischanatomischen Korrelat zuzuordnen. Von Schumann ist schon früh ein sogenanntes Silbenstolpern und seine leise, verwaschene und schwer verständliche, die Kommunikation beeinträchtigende Sprechweise bekannt.
Erregungszustände, die sich bis zu Tobsuchtsanfällen steigern können, treten oft kurz vor dem Tod auf. Robert Schumann mußte kurz vor seinem Ende in der "Tobezelle" gefesselt werden. Die ersten Symptome einer progressiven Paralyse, das Prodromalstadium, kann uncharakteristisch sein. Die Patienten klagen über Schwäche, nachlassende Belastbarkeit, zunehmende Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Jucken in den Fingern. Retrospektiv, das heißt wenn die Diagnose gestellt ist, kann sich dieses neurasthenische Prodromalstadium wie ein zusätzlicher Mosaikstein in das Gesamtbild einfügen, so auch bei Schumann. Die Symptome wurden von seiner Frau und auch von seiner Umgebung mit seinem künstlerischen Schaffensprozeß und der daraus resultierenden geistigen Überanstrengung in Verbindung gebracht. Auch das Intervall, die vorübergehende Normalisierung vor dem endgültigen geistigen Verlöschen, wie sie bei Robert Schumann einige Wochen nach seiner Einlieferung nach Endenich eintrat und die etwa ein Jahr anhielt, ist typisch für die progressive Paralyse.
Ein häufiges, für die progressive Paralyse typisches Phänomen fehlt bei Robert Schumann: Größenwahn. Aber alle anderen Symptome fügen sich wie Einzelstücke eines Puzzles zum Gesamtbild einer progressiven Paralyse zusammen.
Die Syphilis war im 19. Jahrhundert eine häufige Erkrankung. Als Schumann starb, kannte die Medizin weder den Erreger der Syphilis - das Treponema pallidum -, noch wußte man von dem Zusammenhang der Infektion und ihrer Spätmanifestation progressive Paralyse. Deshalb konnte es damals auch noch keine Statistiken geben. 40 Jahre später - um die Jahrhundertwende - war es anders. Daß die Syphilis eine echte Volksseuche war, geht aus Statistiken hervor, die um die Jahrhundertwende erhoben wurden. Es ist erstaunlich, daß die Diagnose progressive Paralyse bei Robert Schumann bisher nie ernsthaft erwogen worden ist. Spielt da die unbewußte Hemmung eine Rolle, bei dem genialen Schöpfer der "Dichterliebe" und der "Kinderszenen" die Diagnose einer anrüchigen Krankheit zu stellen? In der 1918 selbständig gewordenen Tschechoslowakei entbrannte um die Krankheit Friedrich Smetanas ein heftiger Streit zwischen Dr. Hlava, der bei Smetana aufgrund des Autopsie-Befundes die Diagnose progressive Paralyse durch Syphilis eindeutig gestellt hatte, und den tschechischen Patrioten, die nach dem Motto "Nicht sein kann, was nicht sein darf" diese Diagnose nicht wahrhaben wollten und statt dessen dem Nationalheros und Schöpfer des Zyklus "Mein Vaterland" eine unverfängliche Cerebralsklerose unterschoben.
Fernhalten eines Makels
Sollte sich bei Robert Schumann etwa ähnliches abgespielt haben? Könnte es sein, daß man die auf eine progressive Paralyse hindeutenden Zeichen der Krankheit ignorierte oder jedenfalls nicht realisierte, um von seinem Bild einen Makel fernzuhalten, der seinem Rang abträglich gewesen wäre? Falls solche Überlegungen jemals bedeutsam gewesen sein sollten, wäre es an der Zeit, sie als abwegig ad acta zu legen.
Literatur beim Verfasser
Anschrift des Verfassers
Dr. med. Ulrich Skubella
Galbaecher Warte 6
34560 Fritzlar

Dr. Richarz: "Schumanns letzte verderbliche Krankheit war nicht eine primär-spezifische Geisteskrankheit."

Jetzt liegen die klinischen Eintragungen jener Jahre endlich als Buch vor: Robert Schumann in Endenich (1854–1856): Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische Berichte,
Robert Schumann in Endenich (1854–1856): Krankenakten, Briefzeugnisse und zeitgenössische Berichte. Herausgegeben von Bernhard R. Appel; Verlag Schott, Mainz 2006; 607 S., 34,95 € (Mit einem Vorwort des Komponisten Aribert Reimann)
http://www.zeit.de/2006/30/SM-Schumann



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