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Title Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, Die
Originaltitle: "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull"
Regie: Bernhard Sinkel
Darsteller: John Moulder-Brown, Magali Noël, Hans Heinz Moser
Erscheinungsjahr: 1982
Land: Deutschland
Stichwort: Epilepsie, Anfälle, epileptischer Anfall, Literaturverfilmung
Release: 24.01.1982

Handlung
Felix Krull, Spross einer durch den Konkurs und Selbstmord des Vaters verarmten Familie, schlägt erst die Hotelkarriere ein. Der zieht er aber eine glanzvolle Laufbahn als Hochstapler vor. Der militärischen Laufbahn entgeht Krull dank simulierter epileptischer Anfälle.


Weitere Info
Nach dem Roman von Thomas Mann, Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, 1954

Abweichend vom Roman erlebt Krull im Bordell den epileptischen Anfall eines Offiziers mit. Er erfährt dadurch nicht nur, wie der reale Ablauf eines Grand mal-Anfalls aussieht sondern auch - und besonders - die Sorge der Begleiter des Offiziers um dessen Karriere. Epilepsie und Militär schliessen sich halt aus.
"In die Frankfurter Zeit fällt Felix’ Musterung, auf die er sich durch die Lektüre medizinischer Bücher sorgfältig vorbereitet hat. Er spielt der Musterungskommission einen täuschend echten epileptischen Anfall vor und wirkt mit seiner Simulation so überzeugend, dass er prompt vom Militärdienst befreit wird." (Wikipedia, Krull)
Das Zitat zeigt, wie zweischneidig die Rede von "täuschend echt" und "Simulation so überzeugend" sein kann. An dem Anfallgeschehen ist wenig "echt" im Sinne medizinischer Korrektheit. Dafür überzeugt die "Simulation" um so mehr durch ihr Nachspielen medizinischer Irrtümer. Paradoxerweise wäre Krull kaum vom Militärdienst befreit worden, hätte er einen "echten" Anfall bekommen, der dann nicht anders als "medizinisch korrekt" hätte sein können. Diese Erkenntnis vermittelt vorweg, indem er dem lungenkranken Kandidaten

Krull der Nachahmer und Vormacher
Gemeinsame Elemente der beiden Handlung, angelehnt an die mann’sche Erzählung
Geschildert wird die Karriere eines "Tunichtguts" aus wenig vornehmem Hause. Krulls Vater hat mit einer dubiosen Schaumweinfirma pleite gemacht und dann Selbstmord begangen. Sein Taufpate, der Kunstmaler Schimmelpreester, vermittelt ihn nach Paris in eine Hotelstellung. Bevor er diese antreten kann, muss er sich vom Militär befreien lassen. Dies gelingt ihm, weil er der Musterungskommission überzeugend erklären und vorführen kann, dass er Epilepsie hat.
Unterstützt von seinem Aussehen und seiner allseitigen Zuvorkommenheit erobert sich Krull die Herzen verschiedener für seinen künftigen Lebensweg entscheidenden Menschen. Er wird von der romantischen und steinreichen Madame Houpflé mit teuren Schmuckstücken versorgt. Diese versetzt er mithilfe des ihm gewogenen Gauners Stanko.
Klug legt er sein kleines Vermögen an und macht bei seinen Ausflügen in die elegante und teure Welt der Hotelbewohner die Bekanntschaft des Marquis de Venosta und seiner unstandesgemässen Geliebten Zouzou.
Die Eltern Venosta’s wollen ihren missratenen Sohn bei Strafe der Enterbung zu einer Weltreise zwingen. Er soll Zouzou vergessen. Stattdessen fährt aber Krull mit falschen Papieren und einigem Vermögen ausgestattet.
Auf der Zugfahrt nach Lissabon lernt Krull den Paläontologen Professor Kuckkuck kennen. Er erweist sich dem mitteilungsbedürftigen Professor gegenüber als dermaßen guter Zuhörer, dass dieser ihn nicht nur zu einem Besuch in seinem anthropologischen Museum einlädt sondern ihn auch in seine Familie einführt.
Krull nutzt diese Chance, um der verlobten Tochter des Professors den Hof zu machen und seine Frau zu verführen. In dem Moment, indem Fräulein Kuckuck ihm zu Füssen liegt und die Mutter ihn ins Bett zieht, endet der Roman.
Abweichungen am Schluss
Beide Filmversionen versuchen sich in einem weniger abrupten Ende. Der Film von 1957 erzählt, dass der falsche Venosta des Mordes an Zouzou angeklagt und folglich verhaftet wird. Mithilfe des gehörnten Professors entkommt Krull der Polizei. Er nimmt, wie geplant allerdings nicht mehr als Venosta und mit weniger Geld ein Schiff nach Südamerika. Ganz unerwartet stösst auch noch Zouzou zu ihm.
Der TV-Film von 1981 lässt die Miniserie während eines ländlichen Festes ausklingen. Hier verführt Krull Mutter und Tochter ohne Wissen des Familienoberhauptes. Einem Ballonfahrer, der auf dem Höhepunkt des Festes eintrifft und der den Marquis de Venosta persönlich kennt, entkommt Krull in dessen eigenen Ballon.
Die von Thomas Mann bewusst voller Ironie episodisch und phantastisch angelegten „Bekenntnisse“ eines notorischen Lügners und Betrügers vertragen weder eine moralische Beurteilung noch eine literarisch oder cineastische Einschätzung ihres Realismus. Darum ist es wohl auch erlaubt, die Handlung mit phantastischen und unwahrscheinlichen Episoden anzureichern.
Hoffmann (1957) und Sinkel (1981) verhalten sich wie „Krull“, wenn sie Handlungsabschlüsse erfinden, die schlicht an den Haaren herbeigezogen sind. Wie immer bewährt sich aber das erzählerische Genie des mann‘schen „Krull“, wenn er behauptet, sich selbst auf dem erotischen Höhepunkt aus dem Staube gemacht zu haben bzw. wenn Thomas Mann ihn an entsprechender Stelle einfach aus dem Verkehr zieht.
Mann schreibt dazu nach Fertigstellung des „Ersten Teils“: „Das ist wohl das Charakteristrischste, was ich darüber sagen kann: Dass es wohl einmal abbrechen und aufhören, aber nie fertig werden wird.“ (Chronik seines Lebens, S. 244)
Die ganz unterschiedlichen Verläufe der „epileptischen“ Episoden
Von Anfang an sind die „Bekenntnisse“ als Roman der Täuschung angelegt, in dem das ""Aristokratisch-Bekennerische ins Kriminelle"" übertragen ist (Lebensabriß / 1930, in: Dichter über ihre Dichtung, S. 317). Die Rahmenfiktion ist ein Hochstapler, der im Gefängnis seine Memoiren verfasst, als handele es sich um ein weltliterarisches Ereignis. Das Bewusstsein, den Worten eines Hochstaplers zu lauschen, geht im Roman aufgrund der geschraubten Redeweise eines Parvenues nie ganz verloren. In den beiden Filmversionen nehmen hingegen die Phantastereien eines notorischen Betrügers sichtbare Gestalt an, weswegen der Zuschauer dahin tendiert, das jeweilige Geschehen für wahr zunehmen, wenn auch die Verhältnisse und die Absichten der Hauptfigur bekanntermassen „fiktiv“ sind.
Der Verlauf der Musterungsszene ist nun aber in verwirrender Weise „fiktiv“. Zur Vorspiegelung einer chronischen Krankheit wird ein komplexes Anfallsgeschehen im Roman geschildert und im Film gezeigt. Der Anfall ist also simuliert. Der Vorgang wird in einer völlig überzogen „protokollierenden“ Sprache von Krull kommentiert, die schon für sich genommen alle am Geschehen Beteiligten und das Geschehen selbst ad absurdum führt. Der Berichterstatter sucht damit nicht nur die Ärztekommission hinters Licht zu führen. Der Filmzuschauer selbst wird aber glauben gemacht, in der Simulierung von Krull und in der Filmszene solle ein epileptisches Geschehen ablaufen und diagnostiziert werden. Er soll glauben, dass dieser Diagnose realistische Bestandteile des Geschehens, des Beobachtens und der Beurteilung realer Epilepsie zu Grunde liege.
Während der Roman an diesem paradoxen Geflecht von Simulation und Realität kaum Zweifel aufkommen lässt, fällt es den Filmversionen schwer, den Zuschauer zur Trennung der beiden Ebenen zu veranlassen. Was immer sich im Film abspielt, ist eben auch (Film)wirklichkeit. Selbst der kritische Filmzuschauer kann gar nicht anders als Zeuge „epileptoider“ Vorgänge zu werden.
Die betrogene Ärztekommission kommt zu einer grotesken Fehldiagnose. Dem Filmzuschauer bleibt der Zweifel, welche Elemente der Erzählung die Kommission hätte daran hindern können. War nicht alles doch genauso, wie es Menschen mit Epilepsie geschehen kann? Von der Erbkrankheit über den Alkoholismus des Vaters, das Zucken von Kopf und Schultern, das verfeinerte Gehör, das Ohrensausen, die Farbspiele vor den Augen, die Abwesenheitsmomente, die migränehaften Zustände, die Würgekrämpfe, die grosse Not, das haltlose Zucken des ganzen Körpers, die fehlende Erinnerung an das soeben Erlebte (um nicht zu sagen Vorgeführte).
Den ganzen Vorgang ins Reich der Phantasien zu verdammen, fällt darum schwer. Die Feststellung eines Unbeteiligten, dass weder die Romanepisode noch die Filmszenen etwas mit Epilepsie zu tun haben könnten, wirkt überspitzt und ungerechtfertigt. Ja es liegt näher, dem Ganzen doch einen medizinischen Sinn zu geben. Im Urteil eines erfahrenen Epileptologen simuliert Krull durchaus, doch scheint durch „den hochdramatischen Musterungsanfall“ …. „das alte Krankheitsbild der Epilepsie als einer zugleich heiligen und verfluchten, einer dämonischen Erkrankung“ hindurch. (Das ist eine alte Krankheit, S. 185)
Schon diese Auslegung legitimiert Krulls Schauspiel wenn schon nicht als organisch dann doch als „historisch“ fundiert. Zugleich wird der ärztlichen Kunst, selbst wo sie deftige Kunstfehler aufweist, ein tieferer Blick als der des braven Schulmediziners zugebilligt. Die Beurteilung eines symptomatischen Geschehens sieht nicht ab von dem, was das akkumulierte medizinische Wissen immer schon darin gesehen hat.
Und Krull als Erzähler fügt dieser Dimension historischer Korrektheit noch eine subjektive hinzu. Ihn habe – so wenigstens heisst es im Roman, so aber ist es auch im Film zu sehen – die Schaustellung über den Rand des Bewusstseins gedrängt. Den Kontrollverlust spielend verliert der Simulant die Kontrolle über sich. Und so kann medizinisch diagnostiziert werden: „Krulls Bewusstsein schwindet, aus dem bewusst simulierten Anfallsbeginn hat sich ein unbewusst weiterlaufender psychogener (oder hysterischer) Anfall entwickelt.“ (ebd. 185)
Mann-Interpreten haben sich immer wieder gefragt, warum der Autor sein Projekt 1906 aufgenommen und 1913 aufgeschoben hat, warum er in den 20er Jahren wieder an der Fortsetzung gearbeitet und in den 50er Jahren mit einem „Torso“ abgeschlossen ha. Eine der möglichen Gründe mag sein, dass eine Erzählung, die nicht nur von der Produktion von Luftschlössern gegenüber fiktiven Personen handelt sondern den Leser selbst zum Adressaten von Hochstapeleien und Pseudoerklärungen macht, Gefahr läuft zu verärgern statt zu unterhalten. Bruchstück- und episodenhaft aber kann das Ganze eine hochkomische Verkehrung des Glaubhaften werden.
Die Filmgeschichte kennt das riskante Geschäft mit dem Fiktionalen in der Mockdokumentation. Ein Spielfilm gibt sich als Dokumentarfilm aus. Doch wie lange und wie oft, kann man dem Zuschauer vormachen, er dürfe nicht glauben, was ihm gezeigt wird. Als Essenz „epileptoider Zustände“, die vorgeführt werden, bewahrt die Musterungsszene ihr Interesse. Sucht man sie als falsch gedeutete medizinische Wirklichkeit zu legitimieren, erweist man ihrem Berichterstatter doch zu viel Ehre.
Krulls Anfall
Die Musterungsszene ist sowohl im Roman als auch in den beiden Filmversionen eine meisterlich ausgestattete Episode, die Krulls Familiengeschichte abschliesst und die Ära seiner von endlos wiederholbaren, simulierten „Höhepunkten“ durchsetzte Reifezeit einleitet. Sie folgen im Prinzip alle der Dynamik der Musterungsszene. Diese beruht weniger auf dem Vorspielen von Tatsachen als auf dem Nachspielen von Erwartungen, die seine Gegenüber mit ihm verbinden. In allen Täuschungsmanöver, die später folgen, kann Krull sich auf eigene, wenn auch bescheidene und begrenzte Erfahrungen stützen.
Nur vor der Militärkommission wird er mit einer ihm völlig unbekannten Wirklichkeit konfrontiert. Erst- und letztmalig ersetzt er darum eigene Erfahrung durch Studium. Was Epilepsie ist, wie sie sich äußert, was Mediziner sich erwarten, um die Krankheit erkennen zu können, darüber informiert Krull sich durch Lektüre.
Dem Roman zufolge hat er erst „Gang und Handhabung des Musterungsgeschäftes“ in einem Lexikon studiert. Dort wird er auch erfahren haben, dass sich Militär und Epilepsie schlicht ausschliessen. Insofern trifft er dann ja auch die richtige, ihn freistellende Wahl, was bei jedem anderen „Gebrechen“ kaum der Fall gewesen wäre.
Darauf erwirbt Krull eine „Druckschrift klinischen Charakters“, die jedoch nicht mehr als ein „Büchlein“ ist (beide Zitate S. 104) Hoffmann’s Krull berichtet seinem Paten davon hochstaplerisch, er “habe grosse Teile der einschlägigen Fachliteratur genauestens studiert.“ Solche Aussagen über den eigenen Ernst, das eigene Engagement, den absoluten Willen zum Erfolg, finden sich im Roman meist leicht widerlegbar immer wieder. Die „Bekenntnisse“ des Hochstaplers sind ja vom gleichen Holz wie sein Leben. Nur allzu leicht erliegt ja auch der Romanleser – der Filmzuschauer ein wenig weniger – dieser Illusion.
In den entscheidenden Augenblicken der Musterung durch einen Oberstabsarzt braucht Krull, der gleich mit einem nervösen Zucken auftritt, allerdings nur auf Fragen zu antworten. Sie beginnen wie ein Verhör und nehmen bald den Charakter einer Anamnese an. Der „bekennende“ Krull honoriert diesen Übergang, weil er nun angeblich nicht mehr lügen muss sondern über seine „Erfahrung ……. zweckmässig verfügen“ darf. Und diese Erfahrung ist, sich als fein und leidend zu geben. Die Ausnahmeerscheinung Krull, die er ja immer wieder herauskehrt und jeder – Leser und Filmbesucher gern in ihm sieht -, bedarf jetzt nur noch der Ausstaffierung mit angelesenen Elementen, um in eine perfekte Selbstdarstellung zu münden.
Krull hat jetzt Epilepsie und antwortet entsprechend sachkundig auf Fragen, die vom Patienten gesteuert, vom Arzt freudig aufgenommen auf die Erstdiagnose Epilepsie hinauslaufen. Erblichkeit, Alkoholismus, Stigmatisierung – das vertraute historische Gewand der Epilepsie – spielen nun eine mindest ebenso grosse Rolle wie das groteske Sammelsurium ganz unterschiedlicher Symptome oder gar Symptomandeutungen.
Beide Filmversionen können diese Wandlung vom betont „Diensttauglichen“ zum physisch und psychisch Leidenden nicht wirklich sichtbar machen. Die beiden Krulldarsteller überzeugen mehr oder weniger durch den Symptomreigen, der bei Krull-Buchholz mit Zucken beginnt, mit der ungewöhnlichen Hörprobe fortfährt, Ohrensausen, Not und Furcht, Kopfschmerzen und Würgekrämpfe einschliesst und nebst grässlichem Grimassier in einer redseligen Umklammerung des Arztes am Boden endet. Vorspielen fehlender Erinnerung schliesst das Ganze mit dem also schwer erarbeiteten „Untauglich“ des untersuchenden Arztes ab.
In seinem gelehrten Vortrag vor den Kollegen über das Mustergültige von Krulls Symptomatik mischt der Experte – in Film und Roman - ähnlich wie Krull Elemente realer Epilepsie mit allerlei anderen Symptomen. In der Version von 1957 äussert sich der Arzt dahingehend: „Alles in allem, ein wahres Schulbeispiel von Epilepsie.“ Statt sich dadurch in seiner Diagnose bestätigt zu fühlen, hätte es ihn eher stutzig machen sollen. Ist es doch nicht selten gerade Charakteristik von Simulation, dass sie dem Schulbuch folgt, um sicherer identifiziert zu werden.
Gewitzter, auch weil er gewitzer ist als der Militärarzt, reagiert z.B. in der TV-Serie „ER“ Dr. Ross alias George Cloony auf einen Simulanten: „Zu gut, um wahr zu sein.“ Er macht damit klar, dass der „Patient“, um echt zu wirken, eine ideale Zusammenstellung der Verhaltensweisen an den Tag legt, die allgemein mit „epileptischer Anfall“ gleichgesetzt wird. (siehe hier, ER, Wahre Freunde in der Not (Ground Zero), 1997)
Einstudiert statt erlebt
Die Filmversion von 1981 ändert dies Schema nicht grundsätzlich. Sie fügt ihm nur ein realistisches Element hinzu, das aber zweckdienlich die rein liektüremässig „Studienepoche“ des Romans in Szene setzt. Krull erlebt in der Filmversion von 1981 bei der Prostituierten Rosza – von der Romanvorlage abweichend - den „echten“ epileptischen Anfall eines Offiziers. Durch dessen Kameraden erfährt er, dass die Diagnose Epilepsie unmittelbar dienstuntauglich macht. Vor der Ersatzkommission produziert aber auch Sinkel’s Krull sich in einem anderen Anfallsablauf als dem miterlebten.
In Roszas Etablissment ereignet sich Folgendes: Roszas Freier, ein Oberst, unterbricht ein zackiges Loblied auf Krull mit einer sekundenlangen Sprechstörung, die einem Zucken gleichkommt. Gleich darauf geht sein zackiges Vormachen eines Marschritts in eine Versteifung des ganzen Körpers und einen (abgestützten) Sturz auf den Boden über. Hier dehnt sich sein Körper krampfartig und rhythmisch, als marschiere er noch im Liegen. Die herbeieilenden und offensichtlich informierten Kameraden schieben ihm etwas zwischen die Zähne und transportieren den schlaff Gewordenen ab, dem blutiger Speichel aus dem Mund fliesst. Zuvor hat sich Krull noch voni einem der Soldaten „informieren“ lassen.
Warum er in dieser Filmversion gerade das Erlebte und Erfahrene dann doch nicht in die Tat umsetzt, bleibt offen. Drehbuch und Regisseur halten sich hier eng an die Romanvorlage, die es allerdings besser versteht, einen epileptischen Anfall als ein komisches Spektakel in sich ablaufen zu lassen. Diese Vorstellung muss nicht als kurzfristige und banale Grand-mal-Imitation daherkommen. Es wiegt zudem schwerer und stellt die ärztliche Kunst, deren Parodie immer wieder Gegenstand von Manns Werken ist, daß Krulls Epilepsie nicht Spiegel grober ""Vorurteile"" eines ungebildeten Betrügers ist sondern Ergebnis zeitgenössischer, wissenschaftliche Erkenntnisse.
Sinkel’s Krull demonstriert zudem einen wesentlich ernsteren Studieneifer als dies Krull in der Filmversion von 1957 eigen war. Während sich dieser mit einigen Heftchen begnügte, besucht jener sogar den Lesesaal einer grossen Bibliothek und lässt sich tatsächlich wissenschaftliche Werke vorlegen. Eins davon ist als erste deutschsprachige Monographie zur Epilepsie (1899) von Otto Binswanger zu erkennen. Während der Lektüre übt er jenes Zucken und Halsverdrehen, mit dem er seinen Auftritt vor der Musterungskommission einleiten wird. Sichtlich nimmt dieses Drehbuch die Behauptung des Roman-Krulls besonders ernst, „er sei mit grosser Genauigkeit, ja streng wissenschaftlich zu Werke“ gegangen. (103)
Der Schulabbrecher Krull hat sich vor einer Expertenkommission die Freiheit der eigenen Entscheidung errungen. Er ist sichtlich fit, weitere Proben der Art zu bestehen. Eigentlich empfindet er „das Militärisch“ als ihm durchaus angemessen. In der Tat kann man ihn sich als Darsteller im Kriegstheater sehr wohl vorstellen. Anti-Helden wie „Schwejk“ haben zudem bewiesen, dass mit einem wie ihm durchaus der tragische Ernst des Krieges ohne Zynismus zu gestalten ist.


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