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Title Sopranos, Die
Originaltitle: "The Sopranos"
Regie: David Chase
Darsteller: James Gandolfini, Edie Falco, Jamie-Lynn Sigler
Erscheinungsjahr: 1999
Land: USA
Stichwort: Epilepsie, Anfälle, Panikattacke
Release: 10.01.1999

Handlung
Tony Soprano, offiziell ein Müllunternehmer, in Wirklichkeit Boss einer verzweigten Mafia-Familie, hat mehrere, undefinierte Anfälle erlitten, bei denen er hingestürzt ist und das Bewusstsein verloren hat. Sein Arzt schickt ihn zu einem Psychotherapeuten und lässt ihm die Wahl zwischen einem "rein" amerikanischen Arzt und einer italienisch stämmigen Psychiaterin, Dr. Jennifer Melfi. Ihr vertraut er nun seine "Familien"-Sorgen an. Dass er zum "Seelenklempner" geht, darf niemand wissen.


Weitere Info
Pilotfilm der Serie, US-Erstausstrahlung, 10.1.1999

Tony's Familien-Sorgen sind meist doppelter Natur. Als Ehemann und Vater hat er Sorgen wegen seiner aufmüpfigen Tochter, seinem faulen Sohn, seiner Frau, die ein (fast nur) platonisches Verhältnis zu einem schleimigen, aber smarten Priester unterhält. "Familiärer" Natur sind aber auch die sehr komplexen Beziehungen zu seiner Mutter, die schon seinen Vater ins Grab geschuhriegelt hat und auch ihn zu dominieren sucht. Als Tony sie in ein Altersheim "verbannt" rächt sie sich durch ein Komplott innerhalb der Mafia-Familie gegen ihn. Sie macht ihren Einfluss geltend über Tonys Onkel Junior, der nie verwunden hat, dass nicht er Soprano-Boss geworden ist. Neffe Christopher steht zwar treu zu seinem Onkel Boss, hat es aber zu eilig, reich zu werden. Seine Sonderaktionen bringen Tonys delikate Geschäftsbeziehungen durcheinander.


siehe dazu: Gabbard, Glenn O. (2002) The Psychology of The Sopranos: Love, Death, Desire, and Betrayal in America's Favorite Gangster Family. New York: Basic Books, XIV, 191 S.

Anfälle in „Die Sopranos“
Tonys psychische Situation:
Tony's Familien-Sorgen sind meist doppelter Natur; denn er bestimmt das Schicksal seiner persönlichen und seiner geschäftlichen Familie. Die Beziehung der beiden „Familien“ untereinander sind oft auch doppelter Natur, familiär und rein geschäftlich. In allen Dingen aber geht das Geschäft vor. Deswegen müssen auch Familienmitglieder entweder spuren oder daran glauben.
Als Ehemann und Vater hat Tony Sorgen wegen seiner aufmüpfigen Tochter Meadow, seinem faulen Sohn Antony und seiner Frau Carmela, die ein (fast nur) platonisches Verhältnis zu einem schleimigen, aber smarten Priester unterhält.
"Familiärer" Natur sind aber auch die sehr komplexen Beziehungen zu seiner Mutter, die schon seinen Vater ins Grab geschuhriegelt hat und auch ihn zu dominieren sucht. Als Tony sie ins Altersheim "verbannt" rächt sie sich durch ein Komplott gegen ihn innerhalb der Mafia-Familie.
Sie macht ihren für Tony gefährlichen Einfluss geltend über Tonys Onkel Junior, der nie verwunden hat, dass nicht er Soprano-Boss geworden ist. Tony lässt ihn des Friedens wegen Boss spielen, zieht aber hinter dessen Rücken die Fäden. Tonys Neffe Christopher steht zwar treu zu seinem Onkel, hat es aber zu eilig, reich zu werden. Seine Sonderaktionen bringen Tonys delikate Geschäftsbeziehungen durcheinander.
Zu all dem kommen nun also die Anfälle hinzu. Dr. Melfi diagnostiziert diese bald als stressausgelöst. Sie sucht Tonys Kindheitsängste und seine unglückliche Mutterbindung ans Licht zu bringen und so zu korrigieren. Sie muss sie aber bald erkennen, dass Tony sich handfest in sie verliebt hat.
Dies wertet sie zunächst einmal professionell positiv. Die Psychotherapie beginne zu wirken, teilt sie Tony mit. Endlich sei er fähig, Gefühle zu artikulieren – mit der „falschen“ Person. Aber dies sei eben selbst wieder Folge der Therapie.
Da Tony nun aber sexuelle Unlust gegenüber seiner Frau empfindet, verschreibt sie ihm nicht nur Anti-Stress-Medikamente sondern auch „Aufheiterer“ zur Stärkung seiner Potenz. Die Folge sind Halluzinationen. Tony verschafft sich damit eine „echte“ italienische Frau.
Seine persönliche und bald auch seine geschäftliche Familien bekommen nun mit, dass Tony einen weiblichen Therapeuten aufsucht. In der geschäftlichen Familie wird ihm dies vergeben. Seine Frau Carmela aber ahnt richtig, dass der angebliche Therapeut eine wahre Gegenspielerin ist. Über deren Verhältnis zu ihrem Mann kann sie nicht genauso hinwegsehen wie über die verschiedenen Maitressen, die sich Tony standesgemäss hält.
Die „Soprano“- Serie setzt mit einer Anfallsgeschichte ein. Angelegt ist sie als Mafia-Satire, die streckenweise Züge einer Satire auf das Verhältnis der Italo-Amerikaner zu ihrer neuen Heimat trägt.
Bezeichnend ist dafür die Einladung von Tonys Nachbar zum Golfspielen. Die Mitspieler fragen Tony während des Spiels ständig nach seinen Ansichten und nach Interna über die Mafia, als sei Italienersein und Mafia-Experte sein das Gleiche. Natürlich wissen alle, dass Tony nicht in die gute amerikanische Gesellschaft passt. Seine Golfpartner lassen ihn dies nichteinmal sehr durch die Blume wissen.
Die beiden Strukturprinzipien der Filmerzählung – Therapie und Satire - lassen sich auf Dauer in der Serie nicht unbeschadet durchhalten. Die mörderischen Verhaltensweisen der einzelnen Familien-Mitglieder, die Lässigkeit, mit der Mafia-Gebaren in der Satire hingenommen werden, beschädigen den Unterhaltungswert der ganzen Geschichte.
Die Dialektik der Beziehung zwischen dem „hinfälligen“ Boss und seiner Therapeutin/Geliebten Dr. Melfi erschöpft sich. Das „Leiden“ ist in der Serie nur der Aufhänger (plot device), der auch bald aufgegeben wird. Selbst die Geheimhaltung, die anfangs einen Image-Verlust des Bosses verhindern sollte, fällt fort.
Die Therapiesitzungen haben darum schon nach der ersten Folge kein wirkliches Ziel mehr. Sie nehmen immer mehr den Charakter einer von Tony vorangetriebenen Liebesbeziehung an. An die Stelle der „Störungen“ tritt ganz generell Stress als Anlass. Dieser wiederum ist durch die üblichen geschäftlichen Misserfolge ausgelöst.
„Die Sopranos“ bieten also insgesamt keine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Anfall bzw. Anfallskrankheit oder psychische Störung. Die gestörte Weltordnung der Sopranos – das eigene Interesse steht im Mittelpunkt - zieht als Normalität in die Serie ein. In diesem Kontext ist die Episode (5/1), die einen epileptischen Anfall enthält, besonders interessant:

Paulie und Christopher streiten darüber, wer die enorm hohe Restaurantrechnung bezahlen muss. Der Ober, den der zahlende Christopher mit 16 Dollar abgespeist hat, kommt hinzu, um sich zu beklagen. Als er mit beleidigenden Worten weggeschickt wird, beschimpft er die beiden Mafiosi. Christopher wirft ihm einen Stein an den Hinterkopf. Daraufhin fällt der Mann hin und krampft. Die beiden Mafiosi sind besorgt. Sie können nicht warten, bis der Mann wieder zu sich kommt und ihn dann zum Stillschweigen zwingen. Sie fürchten, dass er sie, wieder zu sich gekommen anzeigen wird. Den Anfall kommentiert Paulie mit: "Don't these people know they’re supposed to take their medicine.” Dann erschiesst er ihn kaltblütig.
In der Mafia-Welt hat dies Vorgehen seine Logik. In der 5. Staffel hat sich das Gesetz dieser Welt ganz gegen satirische Tendenzen durchgesetzt. Der Zynismus des Mörders überrascht nicht, da schon verschiedentlich Kaltblütigkeit und Zynismus die Geschichte bestimmt hat.
Seltsamerweise nimmt die brutale Episode nicht einmal gegen die Mafia-Killer ein. Sie erledigen ein Geschäft nach ihren Interessen. Jemand steht ihnen im Wege. Der epileptische Anfall mit seiner eigentümlichen „zeitraubenden“ Entwicklung passt sich dabei perfekt in die Bedürfnisse der Erzählung ein. Der Anfall charakterisiert das Opfer nicht als besonders hilflos und die Mörder nicht als besonders menschenverachtend, obwohl dies ja der Fall ist.
Natürlich liegt das nicht daran, dass der Zuschauer den Zynismus der Verbrecher teilt. Aber für ihn ist der Mann im Anfall selbst der Zeit und der Beurteilung enthoben, ein Störfaktor, der aus dem Wege zu räumen ist.
Ist damit die Filmerzählung selbst herzlos und diskriminierend? Insofern die Satire mittlerweile nicht mehr den Ton des Geschehens angibt sondern der mafiöse Alltag, gewiss. Insofern als ein Mann im Anfall als „Objekt“ behandelt wird nicht. Er ist dazu durch erzähltechnische Gründe geworden. Nicht der Umgang mit Menschen mit Epilepsie ist rau und herzlos geworden. Der Einsatz epileptischer Anfälle in Erzählungen zeigt hier sein Gesicht: ein Störfall.
Bedenkt man, dass Tony Soprano durch seine Panikattacken anfangs durchaus Sympathien bewirkt, wird hier der Unterschied zwischen der erzähltechnischen Verwendung von „Attacken“ und von spezifisch epileptischen Anfällen deutlich.



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