Nach dem gleichnamigen Roman von Jack London (1904) ...... Am 1. und 4. November 2009 zeigte das ZDF den Zweiteiler mit Sebastian Koch in der Hauptrolle des Kapitäns Wolf Larsen. Was bleibt vom Menschen, der eben noch durch gesellschaftliche Top-Stellung zivilisationsgestützt und vermeintlich sturmsicher verankert zu sein schien und der plötzlich in einer gesetzlosen, barbarischen Umwelt auf sich allein gestellt ist? Der neue "Seewolf" Fast 40 Jahre nach dem vierteiligen TV-Ereignis "Der Seewolf", das einen Meilenstein der Sendergeschichte darstellt und nebenbei eine zerquetschte Kartoffel im kulturellen Gedächtnis verankerte, nahmen Tele München und das ZDF zusammen mit Kopartnern die gemeinsame "Seewolf"-Tradition wieder auf. ......... Ein Alptraum: Der Dandy und Literaturkritiker Humphrey van Weyden wird aus seinem Vivarium katapultiert und landet in der moralfreien Zone eines Robbenfangschiffs. Jack Londons Romanklassiker "Der Seewolf" stellt parabelhaft die zeitlos aktuelle und brisante Frage nach dem Überleben im zivilisationslosen Raum. Willkürlicher und experimentierfreudiger Gesetzgeber für die schwimmende, geschlossene Gesellschaft der "Ghost" ist Kapitän Wolf Larsen, der in van Weyden seinen geistigen Widerpart erkennt und ihn zu diabolischen Spielen zwingt. Die Hölle sind dabei nicht nur die anderen, im Jahr 1902 wie auch im Jahr 2009 ... http://seewolf.zdf.de/ZDFde/inhalt/21/0,1872,7903509,00.html Nach dem gleichnamigen Roman von Jack London "The seawolf", 1904 * The Sea-Wolf (USA, 1913), starring Hobart Bosworth, with Jack London appearing as an unnamed sailor; * The Sea Wolf (USA, 1920), starring Noah Beery (Larsen) and Tom Forman (Van Weyden); * The Sea Wolf (USA, 1926), starring Ralph Ince and Claire Adams (Maud); * The Sea Wolf (USA, 1930), starring Milton Sills; * The Sea Wolf (USA, 1941), starring Edward G. Robinson (Larsen), Ida Lupino (Maud), and John Garfield; * Wolf Larsen (USA, 1958), starring Barry Sullivan and Peter Graves; * Der Seewolf (Germany, 1972, TV, 4 part miniseries), starring Raimund Harmstorf and Edward Meeks; * Il Lupo dei Mari (Italy, 1975, The Legend of the Sea Wolf), starring Chuck Connors and Giuseppe Pambieri; * Morskoj volk (Russia, 1991, TV), starring Liubomiras Lauciavicius and Andrei Rudensky; * The Sea Wolf (1993, TV), starring Christopher Reeve and Charles Bronson; * The Sea Wolf (1997), starring Stacy Keach. * The Sea Wolf (ProSieben, Germany, 2008), starring Thomas Kretschmann. As the result of a yet unsettled court case raised by TeleMuenchen this version may have to be renamed[9][10]. * The Sea Wolf (ZDF, Germany, 2009), starring Tim Roth, Neve Campbell and Sebastian Koch; Produced by TeleMuenchen[11]. aus: http://en.wikipedia.org/wiki/The_Sea-Wolf#cite_note-10 Der „Seewolf“ unterliegt im Kampf mit der Natur Die Rolle der Krankheit in Londons Roman und einigen seiner Verfilmungen Londons Abenteuer-Roman „The Seawolf“ (Der Seewolf) von 1904 fand schon bald nach Erscheinen eine beachtliche Leserschaft. Seiner Erzählung bemächtigte sich die Filmindustrie in verschiedenen Versionen. Schon 1913 wurde eine erste Version gedreht, in der Jack London noch selbst eine Rolle als Mitglied der Mannschaft der „Ghost“, des Seewolfes Segelschiff, spielte. Bis heute sind 13 Verfilmungen nachweisbar. Die vorerst letzte Version hat das Regie/Produzenten-Duo Barker/ von Gagern für das „Zweite Deutsche Fernsehen“ 2009 hergestellt. Wie nicht anders zu erwarten nimmt der Kampf des Seewolfs gegen das Meer, seine Mannschaft und seine intellektuellen Gegner, die Schriftsteller Humphrey von Weyden und Maud Brewster auf dem Weg zum Drehbuch immer anders Gestalt an. Als besonders schwierig erweist sich in allen Verfilmungen die Besetzung der Hauptfigur Kapitän Wolf Larsen. Die Komplexität der perfekten, von seinem Autor London und seinem alter ego van Weyden bewunderten Kampfmaschine, die sich bei Nietzsche, Milton, Spencer und Darwin auskennt, lässt sich im Film nur sehr begrenzt realisieren. Die verschiedenen Filmversionen tun sich auch schwer mit einer Art „blindem Passagier“ der „Ghost“, Larsens Kopfschmerzanfällen und seinem durch einen Gehirntumor hervorgerufenen langsamen Verfall. Im Film nehmen körperliche Perfektion und intellektueller Scharfsinn, die London seinem Helden zuschreibt, notgedrungen nur unvollständig Gestalt an. Der Verlagerung des Schlagabtausches mit Humphrey in den Kampf gegen die Krankheit geht es kaum besser. Im Roman kündigt sich Larsens Krankheit erst während der Reise an. Der Augenblick, in dem sie erstmals im Roman auftaucht, ist jedoch höchst bezeichnend. Die „Ghost“ hat den schiffbrüchigen Schriftsteller Humphrey van Weyden an Bord genommen. Larsen hat ihn zur mehrmonatigen Mitfahrt in den Norden zwangsverpflichtet. Er nutzt ihn willkürlich und launenhaft mal als misshandelten Küchenjungen, mal als Partner für gebildete Gespräche über Gott und Gedankengebäude, in denen Gott angeblich mit einem höchst amoralischen „Willen zum Überleben“ ersetzt wird. Als van Weyden sich erstmals zu sehr in seiner Rolle als intellektueller, moralisierender Widerpart des brutal handelnden und freigeistig argumentierenden Kapitäns gefällt, zeigt dieser ihm, wer wirklich das Sagen hat. Er bricht ihm mitten im Disput beinahe den Arm. Tags darauf erkundigt er sich in der Kombüse nach Humphreys Befinden. Dabei zerdrückt er vor dessen Augen eine rohe Kartoffel mit der Faust zu Brei. „Es hätte schlimmer werden können.“ ist Larsens warnender Kommentar dazu. Humphrey lernt spätestens hier, dass auf dem Robbenfängerschiff „Ghost“ nicht der Klügere sondern der Stärkere überlebt. Er wendet das Gelernte sogleich gegen den Koch an, indem er ihm mit dem Messer den Schneid abkauft. Van Weyden wird von nun an lieber seine pazifistischen Moralvorstellungen über Bord werfen als sich selbst aufzugeben. Kaum ist diese Rangordnung der Personen und der Prinzipien befestigt, gerät sie schon „unterirdisch“ wieder ins Wanken. Larsen wird aus heiterem Himmel von einem Kopfschmerzanfall gepackt, der ihn für Tage lahm legt. Der sonst so unterlegene Humphrey darf nun Mitleid empfinden für den sonst so „übermenschlichen“ Seewolf. Dessen Kraftworte erweisen sich unversehens als Klagelaute, die einem tödlich verletzten Körper abgerungen werden. Die Krankheit des Seewolfs, die zunächst anfallartig auftritt, ihn gegen Ende aber grundsätzlich schwächt, erfüllt im Romanverlauf verschiedene Funktionen. Bei jedem Kopfschmerzanfall übernehmen Larsens Gegner punktuell das Gesetz des Handelns. Er muss von Maud Brewster ablassen. Humphrey und Maud entkommen, während Larsen sich in seiner Kajüte vor Schmerzen windet. Nachdem sich aber dauerhaft Lähmungen und Erblinden eingestellt haben, wird Larsen zum Pflegefall für Humphrey und Maud. Er unterliegt schliesslich im Kampf mit Humphrey, weil er hilflos geworden ist. Die Krankheit verlegt den Kampf ums Überleben vom Meer und von der Mannschaft ins Innere des Helden. Er wird damit aussichtslos. Der Sieger besiegt sich selbst. Von einer überwältigenden Naturkraft wird Larsen zu einem, den die eigene Konstitution überwältigt. Das Gesetz des Stärkeren, das er erfolgreich gegen alle, seinen Körper und seinen Geist herausfordernden Mitglieder der Mannschaft zur Geltung bringt, macht ihn zum Unterlegenen. London sieht ihn als Luzifer, der Gott herausfordert im Bewusstsein, dabei nur trotzig unterliegen zu können. Der Hirntumor nimmt die Stelle Gottes ein und zeigt dem Kraftmenschen, dass kein Geschöpf den Naturkräften widerstehen kann. Bei der Filmfigur Wolf Larsen gelingt die Balance zwischen Kopf- und Kraftmensch nur begrenzt. In der us-amerikanischen Version mit Charles Bronson überwiegt die disputierende Brutalität (Regie Michael Anderson, 1993). Den Erfolg der ersten deutschen Fernsehfassung wird weitgehend dem muskelbepackten Helden Raimund Harmstorff zugeschrieben, dessen Bravourstück mit der Kartoffel beim deutschen Publikum und bei vielen deutschen Filmrezensenten unvergessen bleibt (Regie: Wolfgang Staudte, 1971). Im zweiten deutschen Filmremake mit Thomas Kretschmann halten sich Muskeln und Witz die Waage, doch gelingt weder der Figur des Seewolfs noch dem Kampf mit dem Meer Überragendes (Regie: Christoph Schreve, 2008). Das bisher letzte Remake von 2009 entscheidet sich für die intellektuelle Seite von Kapitän Larsen. Sebastian Koch lässt sich bewusst nur reflektierend auf die körperlichen Herausforderungen ein, die London und das Drehbuch ihm stellen. (Regie: Mark Barker, 2009) Es ist sicher kein Zufall, dass in dieser Version auf Larsens Krankheit hingewiesen wird noch bevor die Reise beginnt, d.h. noch bevor Londons Held im Roman davon betroffen wird. Die Eingangsbilder zeigen einen Mann, über dessen Augenpartie ein seltsames Zucken geht. Er erscheint verstört, gestört. Die Filmmusik suggeriert ein unangenehmes Flirren. Der Zuschauer mag dadurch gewahr werden, dass irgendetwas mit diesem Mann nicht stimmt, ohne dass ihm klar werden kann, was dies nun ist. Ob er sich im Filmverlauf daran erinnern wird, wenn die gleiche Musik auftaucht und Larsens Krankheit deutlich wird? Anders als der Roman nutzt aber keine Filmversion den „blinden Passagier“ der „Ghost“ für eine lineare Ausgestaltung von Wolf Larsens Ende. In der Version von 1993 wird die Krankheit kaum noch erwähnt. Larsen lässt von Humphrey und seiner Geliebten ab, als diese sich bereit zeigt, mit ihm gemeinsam unterzugehen. Die Liebe triumphiert hier über ein darwinistisch ausgelegtes Naturgesetz. Staudte verlegt den Endkampf zwischen Humphrey und Larsen weit weg von der „Ghost“. Seine Filmerzählung überschreitet ja auch die Grenzen des Romans und integriert mehrere andere Erzählungen. In der Fernsehversion von Schreve und Barker greift Maud Brewster aktiv in den Endkampf ein. Sie befreit Humphrey aus den Fängen Larsen’s, der – geschwächt wie er ist – diesem dennoch an List und Kraft überlegen bleibt. Die hier herangezogenen Verfilmungen des „Seewolfs“ legen die Annahme nahe, dass Krankheit ein willkommenes Mittel sein kann, um Filmhandlungen zu strukturieren. Wendungen und Ende werden dadurch plausibel. Als besonders wirkungsvoll eigenen sich dabei die krankheitsbedingten Schwächeanfälle. Sie schaffen Raum für die Handlung ansonsten unterlegener Filmfiguren. Mit der ideellen Bedeutung von Krankheit für das Romangeschehen, tun sich die filmischen Umsetzungen anscheinend etwas schwerer. London vertieft mit dem Einsatz der Krankheit Larsens Charakter und Schicksal. Er befreit sich damit aber wirkungsvoll von der Forderung nach moralischer Verurteilung und moralisierendem Ende eines Mannes, der sich über alle Moral und Gesetz erheben zu dürfen glaubt. London wendet Larsens Naturbegriff gegen diesen selbst. Nicht der Einzelne sondern die Natur entscheidet, wer der Stärkere ist. Humphrey der Gesunde überlebt Larsen den Kranken. Vor diesem Hintergrund wirken luziferische Überheblichkeiten über Gesetz und Ordnung eher als Mahnung denn als Aufforderung zur Gesetzlosigkeit. Indem er Darwin Recht gibt, unterwirft London seine Romanfigur denn doch einer „höheren“ Ordnung. Dass der Film mit dieser Verinnerlichung des Handlungsgesetzes nicht viel anfangen kann, liegt sicher nicht nur an dem Unterhaltungscharakter und der bildhaften „Tatsächlichkeit“, dem ein Abenteuerfilm verpflichtet bleibt. Larsens körperliche Schwäche kontrastiert im Buch besser als im Bild mit Larsens äusserer Erscheinung. Sie ist dort eindeutiger dem Wort zugeordnet, dem der Filmzuschauer nur bedingt seine ganze Aufmerksamkeit widmen kann. Auch die Bewunderung für den Kraftmenschen Larsen kann der Buchautor in den Blick der Romangestalt van Weyden verlegen. Dort erzählt diese selbst, wie er Larsen bewundernd anblickt. Der Filmemacher hingegen muss Larsens Körper dem Zuschauer sichtbar aufdrängen. Verfällt er ihr wie van Weyden, wird er sich der Inkonsequenz schelten müssen, dass auch ihm eine moralische Verurteilung des Bewunderten schwer fällt. London konnte sich an der Wende zum 20. Jahrhunderts wohl noch die Unentschiedenheit leisten, die sein alter ego gegenüber der als Nietzsche-Figur missverstandenen „blonden Bestie“ äussert. Die Krankheit des Seewolfs ermöglichte es ihm, ohne Moralurteil das Luziferische an Larsen positiv zu bewerten. Es mag kein Zufall sein, dass diejenige deutsche Verfilmung, die vielleicht am stärksten auf die Krankheit ihrer Hauptfigur abhebt, auch diejenige ist, die den brutalen Menschenfänger am eindeutigsten moralisch verurteilt. Humphrey übergibt den Leichnam seines bewunderten und gehassten Gegners dem Meer mit den Worten „Bestie“. Der Kreis soll sich schliessen: Larsen geht aus der Welt so bezeichnet, wie er selbst die Menschen behandelt hat. Der Film verstösst damit wohl bewusst – im Dienst einer politischen Korrektheit - gegen den Geist Londons. Jeden Versuch, einem amoralischen Heroismus zu huldigen, versucht er im Keim zu ersticken.
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