"Ein brillanter und düsterer Psychothriller von Fritz Lang, der ohne die große Bedeutung der Freudschen Psychoanalyse im Amerika der Vierzigerjahre nicht denkbar gewesen wäre. Das Faszinierende an seinem Werk, das hier ungekürzt ausgestrahlt wird, ist weniger die Umsetzung psychoanalytischer Ideen als vielmehr die Art, wie die Szenerien selbst zu mentalen Räumen werden. Die Kamera versetzt sich in die Perspektive seines Protagonisten Mark und folgt ihm in die labyrinthisch bedrückenden Interieurs. "Das Geheimnis hinter der Tür" gilt heute neben Alfred Hitchcocks "Ich kämpfe um dich" (1945) oder auch Robert Siodmaks "Der schwarze Spiegel" (1946) als Wegbereiter für den modernen Film, da sie zu neuen, subjektiven Erzählperspektiven inspirierten, die heute zum Standard-Repertoire des filmischen Erzählens gehören." (http://www.prisma-online.de/tv/film.html?mid=1947_das_geheimnis_hinter_der_tuer) zur psychoanalytischen Deutung und Würdigung des Films siehe: Secchi, Cesare, Vecchi, Paolo: Therapie als Fabel in: Heiner, Stefan, Gruber, Enzo (Hrsg): Bildstörungen. Kranke und Behinderte im Spielfilm. Mabuse Verlag, Frankfurt/M, 2003, S. 79 - 87 Cesare Secchi / Paolo Vecchi Therapie als Fabel Fritz Lang's "Geheimnis hinter der Tür" und die Psychoanalyse "Geheimnis hinter der Tür" (Fritz Lang, Secret beyond the Door, USA; 1947) läßt sich in jeder Hinsicht als eine der gelungensten Metaphern psychoanalytischer Behandlung verstehen. Der Film ist eine der ernsthaftesten und respektvollsten Huldigungen, die das Kino der freud'schen Lehre dargebracht hat. Hier wird ein klinischer Fall exakt, sensibel und kompetent dargestellt. Er wird zudem bereichert, umgedeutet und in eine genaue, beinahe traumartige Filmsprache voller Andeutungen übersetzt. Damit lassen sich nicht nur die psychopathologischen Befunde und therapeutischen Schritte genau wiedergegeben. Sie vermag auch wirkungsvoll die Intensität und die Intimität von zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie sich speziell im Verlauf einer Analyse herausbilden, zu vermitteln und deutlich zu machen. Der Kern der Filmerzählung Unübersehbar sind Anklänge an Hitchcock-Filmen mit verwandten Themen: "Ich kämpfe um Dich", "Rebecca" und spiegelbildlich verlaufend, wenn auch viel später entstanden, "Marnie" . Die Verwandtschaft dieser Filme mit "Geheimnis hinter der Tür" ist jedoch nur oberflächlich. Sie ergibt sich aus Handlungsverläufen, psychopathologischen Situationen und zweitrangigen filmischen Mitteln, der Filmmusik etwa. In "Spellbound" und "Marnie" wirken die Bezüge zur Psychoanalyse gemessen an den typischen Ausdrucksmitteln des Autors ziemlich aufgesetzt, ziemlich fremd und daher rhetorisch und simpel. In "Geheimnis hinter der Tür" hingegen bildet die Psychoanalyse den Kern der lang'schen Idee. Sie gehört wesentlich zur märchenhaft-metaphorischen Sprache des Films, die ein "freischwebend-fließendes" Erzählen bewirkt. Zu der von Lang mit großer Sorgfalt erzeugten und aufrecht erhaltenen typisch psychoanalytischen Aura gesellen sich noch einige spezifisch psychoanalytische Themen: Die leidenschaftliche und unermüdliche Wahrheitssuche der Hauptfigur Celia; die untergründig perverse und geheimnisvolle Atmosphäre auf dem Landsitz ihres Ehemannes Mark, die eine geschlossene, ausschließlich weibliche Welt bildet, das schrittweise und nicht aufzuhaltende Auftauchen der Vergangenheit in Celia; die Klarsicht und der Mut, mit der sie sich ihrer Aufgabe stellt; die vieldeutige, ausweichende, bedrückende Welt ihres Ehemannes , wo in Präsenz von Ritualen, Tötungstrieb, Fluchtversuchen und ängstigenden Schuldgefühlen Realität und Phantasie ineinander verwoben sind Obwohl sich die geheimnisvolle, auf Enthüllung drängende Atmosphäre erst in der Mitte des Films voll entfaltet, ist dieses Stilelement schon in der ersten Einstellungen gegenwärtig: gekräuselte Seeoberfläche, Überblendungen und Celias innere Stimme, die von ihrer bevorstehenden Heirat schwärmt. Von Anfang an sucht Lang eine subjektive und innere Dimension zu vermitteln. (".....die Kamera erzählt auschließlich subjektiv. Die Handlung ist mit den Augen der Hauptfigur gesehen" heißt es bei Lotte H. Eisner, Fritz Lang, Secker und Warburg, 1976) Celia verhält sich sozusagen wie eine Psychoanalytikerin, die nach dem ersten Gespräch mit einem Patienten beschließt, diesen zu behandeln. Sie ist sich bewußt, daß sie es bei dem Mann, den sie heiraten will, mit einem Unbekannten zu tun hat. Im Grunde ihres Herzens ist sie sich sicher, daß die Sache der Mühe ist. Weswegen sie sich auch dafür entscheidet und das Risiko auf sich nimmt. Die wenigen Episoden vor ihrer Heirat mit Mark weisen Celia als heitere, sympathische, entschiedene Frau aus, die bei allem, was ihr begegnet, zweifelsfrei "erfaßt", was sie will. Aggressionskontrolle Vor dem Hintergrund von Celias subjektivem Erleben bilden sich allmählich die Charaktereigenschaften ihres Mannes heraus. Besorgniserrengende psychopathologische Züge zeichnen sich ab: zunächst seine unerklärliche Flucht vor dem ehelichen Schlafzimmer, dann die Erkenntnis, daß Marks erste Frau gestorben ist und daß er einen Sohn hat, der sich als perfekte kindliche Kopie eines kalten, untadeligen, ressentimentgeladenen Mark erweist, schließlich die Entdeckung der makaberen Sammlung von Zimmern und der plötzlichen, dumpfen Wutausbrüche. Es stellt sich heraus, daß Mark schwer neurotisch ist, besessen von der eigenen Aggressivität. Er unterdrückt sie nur mit Mühe durch eine Reihe von Kontrollmechanismen: das Fernhalten von Gefühlen, sein untadeliges Äußeres selbst im Unterhemd und im Morgenrock, das Reaktionsschema einer übermäßigen Fürsorglichkeit, wie es in der Episode mit dem überfahrenen Hündchen zu Tage kommt oder aus den Worten der Haushälterin über Marks "Güte" zu entnehmen ist. Eine noch wirksamere Barriere gegen seine Aggressivität bilden die Gegenstände seiner Sammelleidenschaft. Mark sammelt voll eingerichtete Zimmer, in denen Ehefrauen und Mütter sadistisch ermordet wurden. Sie erlauben ihm ein teilweises Mitteilen seiner Impulse und zugleich eine Abwehr derselben. In bestimmten Situationen (stärkere Nähe zu Celia, die symbolisch vermittelt oder direkt sein kann) verliert Mark unvermittelt die Kontrolle über sich. Ihm bleibt dann nur noch die Flucht (Impulsphobie), um den Gegenstand seiner Aggressionen zu schützen. Hinter diesen Schutzmechanismen verbirgt sich offensichtlich Marks objektiv sadistisch-anal bestimmtes Beziehungsmuster, das auf einem Beherrschung-Unterwerfungs-Schemas beruht. Seine Beziehung zur ersten, ungeliebten und wegen ihres Geldes (ein weiteres Analsymbol) ausgenutzen Ehefrau, sein zweideutiges Verhältnis zur Schwester Carrie und zu seiner Sekretärin Robey -"Mein Leben wurde immer von Frauen beherrscht." - sind praktisch alles Neuauflagen seiner ausschließlichen, in sich abgekapselten und ebenfalls sado-masochistischen Bindung an die eigene Mutter. In ähnlicher Weise (finanzielle Ausbeutung) nähert er sich Celia. Doch anders als Marks bisherige Bezugspersonen vermeidet es diese - wiederum wie eine Analytikerin - nach Kräften, sich von den unbewußten Phantasien ihres Mannes oder seinem "Spiel" vereinnahmen zu lassen. Damit zerstört sie Zug um Zug Marks labiles Gleichgewicht. Auf seinem außerhalb New Yorks gelegenen Landsitz hingegen wird Marks Furcht einflössende Sammlung von Zimmern nicht nur geduldet sondern sogar gefördert. Während eines großen Empfangs fordert Carrie ihren Bruder auf, den Gästen sein Zimmer-Museum zu zeigen. Wahrheitssuche Das allmähliche Eindringen in die innere Welt ihres Mannes, die einer russischen "Babuschka" ähnlich aus vielen Schachteln besteht und deren letzte das 7. Zimmer ist, bestärkt die Ehefrau / Therapeutin in ihrem Entschluß, die Wahrheit herauszufinden. Zu keinem Zeitpunkt stellt sie ihr ursprüngliches (der Eingebung verdanktes aber absolut fundiertes) "Ja" zu ihrem Mannes in Frage. Die Handlung erreicht ihren Höhepunkt, wenn sich Celia angesichts der unüberwindlichen und unverrückbaren Barrieren, die das 7. Zimmer umgeben, entschließt, nächtens ins Museum herabzusteigen und mit einem heimlich nachgemachten Schlüssel die schicksalsträchtige Tür zu öffnen. Diese Szene ist höchst ausdrucksvoll: die Einstellungen erzeugen durch weite Kamerafahrten Raumtiefe, mit intensiven Helldunkel-Effekten, wie der Expressionismus sie liebte, und mit langen, sich bizarr auf Mauern und Türen abzeichnenden Schatten. Leichtfüßig und zerbrechlich gleitet Celia / Joan Bennet über Treppen und durcheilt Flure, was ihrem Eindringen in tiefste Geheimnisse einen Anflug von Diebstahl und Gewalt gibt. Nachdem sie endlich die Schwelle der verschlossenen Tür überschritten hat, entdeckt Celia ihr Schlafzimmer, das Marks erster Frau gehörte. Ihr erster Eindruck, daß ihr Mann eine Kopie dieses Zimmers geschaffen hat, weil ihn seit dem Tod seiner Frau bohrende Schuldgefühle verfolgen, dieser Eindruck ist zwar richtig aber unvollständig. Die hartnäckige Wahrheitssucherin Celia überprüft sogleich ihre Hypothese. Sie untersucht die Zimmereinrichtung genauer und stöbert in den Schubladen, bis ihr endlich die Asymmetrie der Kerzen auffällt, und sie dadurch blitzartig erkennt, daß sie die aktuelle Kopie ihres eigenen Zimmers vor sich hat. Der Tötungstrieb ihres Mannes richtet sich also eigentlich gegen sie selbst. Zu Tode erschrocken flieht Celia unterstützt von Marks Sekretärin Miss Robey - auch sie eine der "mütterlichen" Figuren, die mitverantwortlich ins Geschehen verwickelt sind - hinaus in den Nebel. Die Szene endet abrupt mit einem Schrei Celias, die sich dem Schatten eines ihr entgegenkommenden Mannes gegenübersieht. Noch ist der Zuschauer Dank einer genialen Dosierung von Rhythmus und Bildfolge in dieser febrilen und dramatischen Sequenz verstört, deren Ausgang er nicht kennt und die ihm ein Höchstmaß an Identifikation mit der Hauptfigur bringt, da wird er schon mit der darauf folgenden Szene konfrontiert. Nicht nur ist Celia hier zum ersten und einzigen Mal im ganzen Film abwesend. Mark's Anwesenheit konzentriert sich ganz auf seine Subjektivität. Man vernimmt zunächst nur seine "inneren Stimme" und sieht dann in einer intensiven und effektvollen Traumszene, was in seinem "Inneren" vorgeht. Der Zuschauer macht sich ernsthafte Sorgen um Celia. Er bleibt desorientiert für den gesamten Verlauf dieser außerordentlichen Sequenz, die weder an Spannung verliert noch melodramatisch ausufert und in der er von einem in Gedanken Schuldigwerden vor dem "Über-Ich" erfährt, das unnachsichtig urteilt, archaisch-anal, dem zufolge Gedanken Taten sind. Hält man an der Analogie zwischen Handlungsverlauf des Films und Fortgang einer psychoanalytischen Behandlung fest, so entspricht dieser Moment der desorientierten und konfusen Verfassung eines Therapeuten, dem sich die elementarsten und primitivsten Seiten der Persönlichkeit seines Patienten eröffnen und der nun zu diesem einen Mindestabstand herstellen muß, um selbst verstehen und den Patienten zum Verständnis verhelfen zu können. Es ist, als verlöre der Therapeut genau wie im Film vorübergehend seinen Subjektstatus aufgrund einer übergroßen Nähe zum Patienten. Katharsis Kaum ist die Szene beendet, taucht Celia wieder auf, gelassen aber hellsichtig und - wie der Zuschauer sogleich gewahr werden wird - entschlossen, den Gespenstern ihres Mannes mit offenem Visier entgegenzutreten. Sie bereitet sich vor, Mark in dem berüchtigten Zimmer zu erwarten mit einem Fliederstrauß - die Blumen der Mutter! - im Schoß. Marks Schwester zieht sich zurück. Miss Robey wird entlassen, nachdem Celia sie nicht gerade per Zufall entlarvt hat. (Damit wird erneut eine eingefahrene Beziehung wechselseitiger Manipulation gelöst.) In der gesamten Sequenz sind die Anspielungen an "Übertragung" überdeutlich. Dieser Vorgang wurde unserer Ansicht nach kaum je in einem Film mit solcher Klarheit dargestellt. Einerseits verlieren die dem Geschehen äußerlichen Alltagsfiguren an Bedeutung und verschwinden im Hintergrund. Andererseits gewinnen die unbewußten Gefühlsaspekte an intensiver Aktualität in der Gestalt der Ehefrau / Therapeutin. Obwohl zweifellos verstört, bleibt diese an ihrem Platz, um die Projektion des Ehemannes / Patienten aufzunehmen. Sie ist sich völlig im Klaren darüber, daß das Problem nur begriffen und bearbeitet werden kann, wenn es physisch und offen in der Beziehung der Beiden zum Vorschein kommt. Der Feind, sagt Freud, kann niemals "in absentia" oder "in effigie" besiegt werden. So gesehen wird der Inhalt der "traumatischen" Szene, die für sich genommen künstlich, melodramatisch und schwülstig ist, entdramatisiert und neu definiert. Nicht einmal in dieser Szene wird unserer Ansicht nach der metaphorisch-märchenhafte Ton aufgegeben. Alles vollzieht sich in einfachsten Schuß-Gegenschuß-Einstellungen, ohne daß der Rhythmus oder die Darstellung überzogen würden. Mark / Redgrave teilt seine Angstzustände vornehmlich durch Blicke mit, während er in Mimik und Gebärde geradezu untertreibt. Marks Erzählung einer Episode aus seiner Kindheit (Die Mutter schließt ihn in seinem Zimmer ein und geht zu einem Fest.) bewegt sich nur andeutungsweise auf der Ebene einer historisch-realistischen Objektivierung, auf der sich indessen die Katharsis in "Spellbound" und "Marnie" vollzieht. In beiden Hitchkock-Filmen verdankt sich diese einem ebenso linearen wie abstrakten Determinismus. Marks Erzählung hingegen wird durch einen ebenso emblematischen wie "verwirrenden" und leicht surrealen Theatercoups unterbrochen: Die Tür fällt auf geheimnisvolle Weise ins Schloß, was - gemeinsam mit dem kurz darauf ausbrechenden Feuer - der Szene den Charakter eines Alptraums verleiht. Sie wird damit etwas vollkommen anderes als eine trockene psychoanalytische Lektion. Das Haus in Flammen, das Zimmer verschlossen, eine klaustrophobische Kinderwelt - das steht symbolisch für die endgültige Abrechnung mit der Vergangenheit. Die letzte Szene, in der sich Celia und Mark auf einer mexikanischen Veranda umschlungen halten, ruft bedeutungsvoll die Eingangsszene des Films in Erinnerung, die von Sinnenfreude und heftiger Leidenschaft durchdrungen ist (siehe Celia und Marks erste Begegnung während des ländlichen Duells). Es ist so, als wäre nun beiden nach einer Reihe schwerer Prüfungen jener volle und lebendige Austausch der Gefühle möglich geworden, der sich eingangs angekündigt hatte. .....................................
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