[ Handlung ] [ Weitere Info ] [ Info Filmdatenbank IMDb ]

Title Jennifer 8
Originaltitle: Jennifer Eight
Regie: Bruce Robinson
Darsteller: Andy Garcia, Lance Henriksen, Uma Thurman
Erscheinungsjahr: 1992
Land: USA
Stichwort: blind, sehbehindert
Release: 08.07.1993

Handlung
Detektiv Berlin klärt mühsam den Mord an 7 blinden Frauen auf. Jennifer, als achtes Opfer ausersehen, hilft ihm dabei entscheidend und kommt mit dem Schrecken davon.



Weitere Info
"Jennifer 8" (Dter Tit.: Jennifer 8)
Blinde sehen mehr?
Robinson, Bruce / USA / 1992
Die Story
Der Polizist John Berlin wird auf eigenen Antrag von Los Angeles nach S.Diego versetzt. Er hat eine gescheiterte Ehe und Alkoholismus hinter sich. Kaum im Dienst stößt er auf einen mysteriösen Mordfall, den seine Kollegen trotz großer Anstrengungen nicht haben lösen können. Die Akte trägt den Code-Namen "Jennifer". Unaufgeklärt blieb der Mord an einer Frau, von der nur der Rumpf gefunden wurde. Zuständig für den Fall war Sergant John Taylor (der Mörder, wie sich zuletzt herausstellt).
Durch den Fund einer abgehackten Frauenhand, den Sergeant Berlin mit dem unaufgeklärten "Fall Jennifer" in Verbindung bringt, wird dieser wieder aufgerollt. Dabei hat Berlin aber alle Kollegen gegen sich. Sie wollen keinen Ärger mehr haben. Und sie mißtrauen dem ehrgeizigen neuen Mann aus der Großstadt Los Angelos.
Seine Spurensuche führt Berlin in ein Blindenheim, aus dem die blinde Ambra, ohne sich zu verabschieden und ohne eine Adresse zu hinterlassen, von einem Unbekannten abgeholt wurde. Die Aussage und die Hinweise der blinden Helen, die als Letzte Ambra gesprochen hat, überzeugen Berlin immer mehr davon, einem Serialkiller auf der Spur zu sein. In den letzten Jahren wurden 6 blinde Frauen mit einer Pistole Kaliber 9 umgebracht. Berlin findet den Kadaver von Ambras Hund, der mit der gleichen Pistole erschossen wurde. Für ihn ist die nicht mehr aufzufindende Ambra "Jennifer Nr. 7"
Aus Angst um seine wichtige Zeugin, in der er sich bald aufrichtig verliebt, nimmt Berlin diese nach einem mysteriösen Überfall im Badezimmer des Heims in seinem Haus auf. Der Überfall wurde vom Hauswart des Instituts, einem Spanner, verübt. Die Tätigkeit des Spanners, der Heimbewohnerinnen ungesehen im Bad fotografiert, verwirrt die Spuren.
Im Polizeirevier glaubt niemand an die Existenz des Serienkillers. Berlin wird verdächtigt seiner jungen, hübschen Zeugin wegen, der niemand recht glaubt, den Fall gegen jede Vernunft weiterzuverfolgen. Auch Freddie Ross, Berlins Schwager und Mentor hält nur aus Freundschaft zu ihm. In der Weihnachtsnacht begleitet Ross Berlin bei einem nächtlichen Besuch des Blindenheims, weil dieser das Eindringen des Mörders auf der Suche nach Helen fürchtet. Die Intuition ist richtig, die Folgen des nächtlichen Besuchs aber für Ross fatal. Er wird mit der Dienstpistole Berlins erschossen vor dem Haus aufgefunden. Nun steht Berlin selbst unter Mordverdacht. Ein FBI-Agent wird entsandt, um den Fall aufzuklären. Er hält Berlin für den Mörder. Aus Frustration und Neid gegenüber dem beliebten Kollegen Ross habe er diesen in einem Moment der Verwirrung erschossen.
Mit Mühe gelingt es Berlin, sich von der Mordanklage zu befreien, indem er die letzten Mosaiksteine für die Entdeckung des Serientäters, Sergant John Taylor zusammenträgt. In einem von der Mutter geleiteten Blindenheim ist Taylor als Gesunder unter Behinderten aufgewachsen. Frustriert durch Zurückweisungen, die seinem Gefühl nach den schutzbedürftigen Blinden nicht zustanden, hat er sich in tiefen Haß gegen seine Schulkameradinnen gesteigert.
Die Strafe am psychopathischen aber trickreichen Taylor "vollziehen" zum Schluß Helen und Berlins Schwester, die Frau des ermordeten Ross selbst. Im Blindenheim stellen sie den Mörder, der nun endlich "Jennifer 8", die blinde Helen auszuschalten sucht. Helen läßt sich von dem Mörder "überraschen" und verfolgen. Die Frau von Ross übernimmt während der Flucht durch dunkle Korridore ihre Rolle. Sich plötzlich umdrehend stellt sie Taylor und erschießt den Überraschten.
Die Botschaft
"Jennifer 8" ist ein informierter und feinsinniger Filmessay über Sehen und Blindsein, Behinderung und Normalität als Schicksal und Metapher. Die Blinde droht zum Opfer zu werden, weil keiner der Sehenden etwas wahrnehmen will. Das behinderte Opfer triumphiert am Ende über den "normalen" Psychopathen.
Ein Spiel der Andeutungen und Intuitionen durchzieht den ganzen Film. Dabei führt und "verführt" Helen ihren Polizisten, je nach Gelegenheit. Sie versorgt ihn mit Tat-Details wie dem Geräusch des abfahrenden Bullis, dem unruhigen und deswegen zu beseitigenden Hund, der Kurzatmigkeit des Mörders, seinen besonderen Geruch. Sie klärt ihn darüber auf, daß die in Braille-Schrift geschriebene Postkarte, die die Unterschrift der ermordeten Ambra trägt, nicht von dieser stammen kann.
Sie bringt aber auch - die Spannung erhöhend - Verwirrung in die Untersuchungen der Polizei. Sie erleidet Überfälle, über die sie aufgrund ihrer Blindheit nur unvollständig Rechenschaft geben kann. Sie wird zu Berlins Geliebter, wodurch dessen Urteilskraft den männlichen Kollegen fragwürdig erscheint. Da sie blind ist, glaubt man ihr nicht.
Die verführend-führende Anziehungskraft einer Blinden ist Berlins Ariadne-Faden. Indem er liebend immer engeren Kontakt zum potentiellen Opfer kommt, entsteht vor seinen Augen das Bild des Mörders, der im Haß der Welt der Blinden verbunden ist. Die beiden Polizisten sind für den gleichen Fall in doppeldeutiger Weise "verantwortlich", der eine ausführend und vertuschend der andere forschend und entdeckend. Die Aktion aber ist Sache der Opfer.
Kommentar
"Jennifer 8" wird sich dem Zuschauer kaum beim ersten Mal in seinen Feinheiten erschließen. Fast unmerklich - und das mag der größte Verdienst des Films sein - führt er in Alltagsprobleme und in die Gefühlswelt einer intelligenten Frau ein, die nicht sieht.
Der Zuschauer wird in die Lage versetzt, die Lektion über die Gleichberechtigung von Blinden trotz "Leistungsschwächen" und "Hilfsbedürftigkeit" zu akzeptieren. Zuallererst erfährt er, daß blinde Menschen wie du und ich sind, denen keine überdurchschnittlichen Fähigkeiten des Ahnens und Fühlens mit ihrer Behinderung geschenkt werden. Blinde "sehen" soviel, wie ihnen ihre Intelligenz und Disziplin erlauben. Mit der ihnen zuwachsenden Sensibilität und Erfahrung aber "sehen" sie womöglich zuweilen mehr als Mitmenschen, denen diese fehlen. Diese Lektion erteilt dem Unterhaltungsbedürfnis des Kinogängers entgegenkommen ein junges, begehrenswertes Mädchen im Rahmen eines spannenden Krimis.
Damit sind einige Voraussetzungen geschaffen, daß das "Lernergebnis" im Alltag auch wieder verlorengeht.
Anknüpfungspunkte
 "Blink" (Dter Tit. "Blink - Tödliche Augenblicke")
Apted, Michael / USA / 1994
"Jennifer 8" (1992) enthält einige Motiven, die in "Blink" (1994) wieder auftauchen:
Blinden Menschen glaubt man nicht, wenn sie behaupten, etwas "gesehen" zu haben, was anderen entgangen ist. Auch die Heldin von "Blink" entdeckt als erste einen Mord und hilft, den Mörder zu entlarven. Diesmal ist ein Serienkiller am Werk, der alle Personen verfolgt, denen Organe seiner bei einem Unfall umgekommenen Freundin implantiert worden sind. Die Sehkraft der Heldin ist nach der Augenoperation noch unsicher. Die Polizei glaubt ihr nicht.
Ohne "Fürsprecher", die Behinderten gefühlsmäßig (Liebe) vertrauen, können diese sich selbst mit rationalen Argumenten kein Gehör bei ihrer normalen Umwelt verschaffen. Der Heldin glaubt nur ein Polizist, der sich in sie verliebt hat. Das macht auch ihn bei seinen Kollegen unglaubwürdig.
Behinderte kommen auch ohne Hilfe Anderer zurecht. Dem Mörder ohne Schutz ausgeliefert, findet die Heldin ausreichend Entschluß- und Sehkraft, um ihn eigenhändig zu erschießen.
 Blinde und Melodrama
Im Gespräch mit Stig Björkmann., das unter dem Titel "Trier om von Trier als Buch erschienen ist, bemerkt Lars von Trier, Blindheit sei ein ideales Thema für das Melodram. Es folgt die nahezu unausweichliche Nennung von "The magnificent obsession" (Douglas Sirk, USA / 1954)
Verlust der Eigenständigkeit, Schutzbedürftigkeit, gesellschaftliche Isolierung - Charakteristiken, die der Zuschauererwartung gegenüber Blindheit entsprechen - sind mächtige Motive dafür, daß sich das Melodrama entwickeln kann. In "Jennifer 8" und "Blink" sind daraus sich entwickelnde melodramatische Züge nicht zu verkennen. Sie sind aber - einer modernen Tendenz zur Emanzipation des "schwachen Geschlechts" folgend? - ergänzt durch den unerwarteten Willen der potentiellen Opfer zur Selbstbehauptung. Die einst so duldsamen Heldinnen haben sich von liebenswerten Opfern zu schlagkräftigen TäterInnen entwickelt. Allerdings nur kurzzeitig. Zum Schluß landen sie doch wieder in den starken Armen ihrer Beschützer.
 Voyeure und Blinde
Die Zeitschrift "Segno Cinema" bringt in ihrer September/Oktober-Nummer eine kleine Filmographie zum Thema "Lo sguardo acceso e lo sguardo negato. " (Der entflammte und der negierte Blick). Sie beginnt 1929 mit dem russischen Film "Celovek s kinoapparatom" und endet 2001 mit "E adesso sesso" (Carlo Vanzina) Die Autoren haben sehr subjektiv und impressionistisch Filme ausgewählt, in denen das (voyeuristische) Sehen oder Blindheit (als Behinderung und Metapher für eine besondere Form des Wahrnehmens) die Filmhandlung inspirieren.
Avondola, C; Garofalo, M.: Lo sguardo acceso e lo sguardo negato. SegnoCinema, 111 (2001) 83 - 91
Stefan Heiner



Filminfo aus der IMDb Datenbank
[ Info Filmdatenbank IMDb ] [ Trailer ]

Copyright © 1998-2006 by Nikotto
modified by xiah