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Title Himmel über der Wüste
Originaltitle: The Sheltering Sky
Regie: Bernardo Bertolucci
Darsteller: Debra Winger, John Malkovich, Campbell Scott
Erscheinungsjahr: 1990
Land: Deutschland
Stichwort: Typhus
Release: 25.10.1990

Handlung
Kit und Port Moresby, zwei gescheiterte amerikanische Künstler, reisen 1947 ohne festes Ziel durch Marokko gemeinsam mit ihrem Bekannten George Tunner. Port lässt sich auf ein Liebesabenteuer mit einer Prostituierten ein. Kit verbringt in betrunkenem Zustand eine Nacht mit George. In der Folge fliehen sie von Mal zu Mal ignorante amerikanische Touristen, Tunner, der sich zwischen sie drängt und die eigene Ziellosigkeit. Port stirbt in einem verlassenen franzöischen Wüstenfort an Typhus. Kit zieht mit einer Karawane durch die Wüste. Sie findet besonders innerlich nicht mehr heim.


Weitere Info
In „Himmel über der Wüste“ wird der Ort, die Landschaft, das Reisen zur Metapher für die seelische Entwicklung der drei zentralen Charaktere (Port und Kit Moresby vor allem, George Tunner nur sekundär). I
In den Film-Rezensionen wird wiederholt die Unbestimmtheit der Zusammenhänge und der geschilderten Seelenzustände betont. Worauf das Reisen und worin die seelische Entwicklung besteht, klären die Filmautoren (Drehbuch, Regie) in der Tat nicht zufriedenstellend.
Nun ist aber gerade „Unbestimmtheit“ und Vagheit sowohl der Personen als der von ihnen angestrebten Alternativen, ihrer Reiseziele und -routen selbst wieder Gegenstand der Filmerzählung. Getrieben von Unzufriedenheit lassen sie sich scheinbar nur treiben.

Wenig beachtet ist wohl der Einsatz der Erkrankung von Port, die in ihrer metaphorischen Bedeutung gleichberechtigt an die Seite der Reisebescheibungen tritt. Fraglos handelt es sich um Typhus. Eine Reihe der geschilderten Symptome (Ansteckung durch Trinkwasser, Frösteln, Fieberschübe, Erbrechen, Apathie, Nasenbluten, Unfähigkeit, aufrecht zu stehen, Traumzustände, Delirium) gelten als fortschreitende Symptome dieser ansteckenden Krankheit, die noch heute den Reisenden in Marokko gefährdet.

Ports individuelle Typhuserkrankung durchläuft Stationen von Ports persönlicher Entwicklung, soweit sie der Film darstellen will. Sie beginnt mit der krankhaften „Initiation“ durch den Tee bei der Prostituierten setzt sich fort über seine wechselnden Stimmungslagen zwischen „Fiebrigkeit“ und „Apathie“ und mündet in zwanghafte Traumzustände. Port kehrt damit an den Anfang des Films zurück, wo er - körperlich noch intakt - gegen den Willen seiner Frau einen wiederkehrenden Alptraum zum Besten gibt.

In Johann Valentin Hildenbrand, Ueber den ansteckenden Typhus, nebst einigen Winken zur Beschränkung oder gänzlichen Tilgung der Kriegspest und mehrerer anderer Menschenseuchen. Wien 1810 findet sich eine medizinisch sehr detaillierten Beschreibung des Krankheitsverlaufes. Eine Fülle der dort aufgeführten Symptome, sind metaphorisch in Bezug zu setzen mit Ports inneren Zuständen.
Für Ports Sterben sind zwei bei Hildenbrand zu findende Krankheitsepisoden bedeutungsvoll. Sie verbildlichen seinen Ausgangspunkt, die fixe Idee des Scheiterns und seine Beziehung zu Kit, bei der allein er Halt zu finden glaubt, so zynisch er sich auch sonst in seiner Ehe geben kann.
Hildenbrand führt zwei Krankheitsepisoden auf, die dazu passen:
„Ich war durch sieben Tage in meinem Typhus mit der Hinwegschaffung einer unschicklichen Verzierung meines Ofens, der mir gegenüber stand, rastlos beschäftiget, welches mir bange Unruhe machte da ich es nicht bewerkstelligen konnte.“
…….eine galizische Jüdin…..verlangte am achten Tage ihres Typhus sehnsuchtsvoll nach ihrem zehn Meilen weit entfernten Sohne, liess ihn kommen empfing ihn mit Thränen der Zärtlichkeit und segnete ihn mit vieler Rührung. Die ganze folgende Zeit musste er um die kranke Mutter seyn und sie nahm nichts zu sich als aus seinen Händen. Als die Krise vorüber war - ich war gerade Augenzeuge - erstaunte sie über seine Gegenwart, fragte nach den Umständen, die ihn hergebracht haben und fühlte erst itzt mit wahrem Bewusstseyn die ungeheuchelte Freude einer angenehm überraschten Mutter.“

Letzterer Zustand stellt sich im Film für Port nur noch als Halluzination und Todesvision ein. Im Gegenteil, Port stirbt nach einem äusserst dramatischen Anfall. Ähnliches berichtet wiederum Hildenbrand: „Im Kopfe erscheinen diese Entzündungen oft in einem solchen Grade, dass das Delirium zur rasenden Hirnwuth oder die gewöhnliche Betäubung zum apoplectischen Sopor wird.“
Das Äquivalent dieses Todesszenarium bei Port ist Kit’s Verlorensein in jeder Hinsicht bei ihrem „Wüstenabenteuer“. Ihre Tragödie endet nicht im unmittelbaren Tod sondern in einer Art seelischen „apoplectischen Sopor“, in dem befangen sie der Filmzuschauer aus den Augen verliert.

Bertolucci schickt seine „Personen“ nicht nur auf die den Betrachter fesselnde exotische Reise. Er organisiert innerhalb der Reiseziele verschiedene Krankheitsstationen, die mindestens ebenso sprechend sind.


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