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Title Hannah Arendt
Originaltitle: Hannah Arendt
Regie: Margarethe von Trotta
Darsteller: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Noethen, Michael Degen
Erscheinungsjahr: 2012
Land: Deutschland
Stichwort: Herzinfarkt, Schlaganfall
Release: 00.00.0000

Empfehlungen
Selbstbehauptung

Handlung
Die politische Philosophin Hannah Arendt wird von der Wochenzeitschrift "The New Yorker" nach Jerusalem als Beobachterin des Prozesses gegen Adolf Eichmann (1961 - 1963) geschickt. Sie verfasst dazu nach langer Vorbereitung fünf Artikel, die sie zum Buch "Eichmann in Jerusalem" zusammenfasst. Ihre These von der "Banalität des Bösen" und der Mitverantwortung von Mitgliedern der "Judenräte" am Holocoust entfesseln eine Polemik, in deren Verlauf sie sich auch von besten Freunden scharf angegriffen sieht und einer hysterischen Kampagne ausgesetzt fühlt.



Weitere Info
Zu der intellektuellen Auseinandersetzung um Arendt's Thesen siehe informativ:
http://www.tikkun.org/nextgen/film-review-hannah-arendt-and-the-banality-of-evil

Arendt unterbricht für einige Zeit die Niederschrift der vom "New Yorker" eingeforderten Artikel, als ihr Mann Heinrich Blücher einen lebensgefährdenden Schlaganfall erleidet. Ihre den Filmautoren nach nahezu vollständige Isolierung ist durch den Tod eines ihrer treusten israelischen Freund, Kurt Blumenfeld, markiert. Dieser stirbt an einer Herzerkrankung, die sich schon während der Prozesstage angekündigt hatte.
Beide "Zwischenfälle" zeigen Arendt als eine Frau, die durch menschliches Leid zu erschüttern ist, die sich davon aber nicht in ihrem Denken und Schreiben beeinflussen lässt.
Die Filmautoren suchen Arendt's widersprüchliche Persönlichkeit in ausführlichen biographischen Episoden der Prozesszeit und knappen Flashbacks auf ihre Beziehung mit Martin Heidegger sympathisierend nachzuzeichnen. Wie Margarethe von Trotta im Bonus-Material der DVD erläutert, konnte nur so das lebensvolle Bild einer "Denkerin" entstehen. In der Tat zeigen gerade die Krankheitsepisoden, wie stark Arendt von der optimistischen Einstellung ihres Mannes zu seiner Erkrankung aufgebaut wird und wie sehr sie unter der Abwendung eines ihrer Freunde auf dem Krankenbett leidet. So ist dann sichtbar und glaubhaft gemacht, was Arendt über sich selbst sagt. Ich kann nur Menschen lieben, keine Nation.
Ihr wird hingegen zum Vorwurf gemacht, dass sie kein Herz für ihr Volk hat (Kurt Blumenfeld) und eine typische, deutsche, herzlose Intellektuelle ist (Hans Jonas).
Das Urteil der Filmautoren über ihre Thesen ist eindeutig positiv, obwohl verschiedene Gegenstimmen zu Wort kommen. Die Verurteilung aller, die ihr freies Urteil durch Diskriminierung und Rufmord zu beeinflussen suchen, fällt hingegen durch die für Arendt erweckte Sympathie zu eindeutig aus. Die Tatsache, dass Arendt kein verbitterter Blaustrumpf ist, spricht nicht dagegen, dass sie sich im Urteil über Eichmann geirrt haben könnte. Das Filmende legt aber nahe, dass sie auf der ganzen Linie im Recht ist.
Dabei ist es in der Tat schwer vorstellbar, dass ein so effizienter Mitläufer nicht auch ein ebenso leidenschaftlicher Befürworter seiner Taten und Tätigkeit war. Arendt' s These vom "Bösen", dass aus Mangel an (Nach)denken entsteht, kann zu dem Missverständnis verführen, pure Gedankenlosigkeit stecke hinter dem extremen Bösen. Der Mangel an Denkfähigkeit als Hintergrund verbrecherischer Taten wird erst verständlich durch Arendts komplizierte Ableitung der Moral aus einem dialogischen Denken, durch das jeder Mensch mit sich ins Reine kommt - oder eben nicht. Siehe dazu Arendt, Hannah: Über das Böse. Eine Vorlesung zu Fragen der Ethik. Piper, München 2007 (Originalveröffentlichung: "Some questions of moral Philosophy", 2003)
Aufgrund dieser "intellektuellen" Missverständlichkeit scheint mir Primo Levi's Bild von dem KZ-Arzt Dr. Pannwitz, der erst den vor ihm stehenden Häftling als Laus in den Blick nimmt, um ihn dann ungerührt zertreten zu können, begreiflicher.
Arendts Argumentation erläutert umfänglich die Denk- und Handlungsprozesse, die mit dem "Pannwitzblick" verbunden sind. Sie erlauben aber kaum den Vorgang restlos auszuleuchten, durch den Menschen zu Un-Menschen gemacht werden. Es scheint mir auch kaum glaubhaft, einen Menschen, der die Welt mit dem "Pannwitzblick" anschaut, als einen leidenschaftslosen Bürokraten einzustufen. Man kann zum Pannwitzblick gebracht werden, denke ich, auf dem Weg dahin aber muss eine bewusste Abkehr vom Willen zum Guten vollzogen worden sein, der sich nicht mit "höherem Befehl" erklären lässt. Das Böse mag banal sein. Wer es verantwortet, wird vergebens versuchen, sich als neutraler Vollstrecker darzustellen.
Wenn Arendt im Film argumentiert, dass "crime against humanity" falsch mit "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" statt "gegen die Menschheit" übersetzt wird, so überzeugt dies eben deswegen. Menschlichkeit kann sich selbst ein Dr. Pannwitz bewahren. Die Menschheit aber hat das Schlimmste von seinem bösen, alles Menschliche in Nichts verwandelnden Blick zu fürchten.


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