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Title Kein Land für alte Männer
Originaltitle: No Country for Old Men
Regie: Ethan und Joel Coen
Darsteller: Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin
Erscheinungsjahr: 2007
Land: USA
Stichwort: Psychose, Rollstuhl
Release: 19.05.2007

Handlung
Der Vietnamveteran Llewelyn Noss stösst auf der Jagd auf die Folgen eines gescheiterten Drogendeals: Tote und Sterbende und einen Koffer voller Dollars. Den nimmt er an sich und wird damit Zielscheibe der Drogengangster, die ihr Geld zurückhaben wollen. Der Berufskiller Anton Chigurh bringt ihn, seine Frau und Unbeteiligte buchstäblich über Leichen gehend zur Strecke.



Weitere Info
Vom Filmende her gesehen – ein Killer humpelt davon - sind die Geschehnisse um einen Koffer voller Geld, den Vietnamveteran Moss, den für Gesetz und Ordnung zuständigen Sheriff Bell und weiteres Filmpersonal aus dem texanischen Alltag mehr oder weniger Nebensache. Zentral ist die Blutspur, die der Killer Chigurh hinterlässt. Der tötet nach Belieben, was ihm über den Weg läuft - nichtmal nur diejenigen, die sich ihm in den Weg stellen. Und so ist Sheriff Moss beizupflichten, der die Welt nicht mehr versteht.
Die Bedeutung dieses genialen "Spätwesterns" der Brüder Coen scheint sich in der bedingungslosen und spektakulären Anwendung von Gewalt zu erschöpfen. Der Kinogänger kann zufrieden den Saal verlassen: Er hat sich nicht nur nicht gelangweilt. Er hat sich unterhalten. Wem das Gewaltgenre nicht so zusagt, wird trotzdem die Leinwand zwischen vorgehaltener Hand im Auge behalten und das Spektakel nicht vorzeitig verlassen. Weil Kino nicht das Leben ist, kann das niemand verurteilen.
Trotzdem ist auch im Kino zu wünschen, dass Killer Chigurh nicht normal ist. Sein Aussehen und sein Vorgehen - er tötet mit Vorliebe mit einem grotesken Bolzenschussgerät – kennzeichnen ihn unweigerlich als Psychopathen. Er kleidet sich schlicht und schwarz. Er trägt eine Pagenfrisur mit Mittelscheitel. Er blickt unverwandt vor sich hin und bewegt sich meist zielstrebig wie ein Automat. Zuweilen verhandelt er mit seinen Opfern in seltsam humorvoller Sprache. Das Lachen gefriert dann aber pünktlich.
Ob die Autoren von „No country for old man“ mit ihrem Film mehr zeigen wollten als ein desolates Land, das zum Schauplatz des nackten Kampfes ums Überleben wird, kann dahingestellt bleiben. Wie ein Land ohne Altersweisheit, Altersschwäche, Altersresignation, kurz Kompromissbereitschaft aussieht, zeigen die Coens allerdings kompromisslos. War’s das?
Der Film lässt jedoch weitere Fragen zu, z.B. eine zeithistorisch-politische: Ist Amerika immer noch – oder gar schon wieder - ein Land des unerbittlichen Showdowns? Ereignisse der letzten Jahre und amerikanische Strategiekonzepte wie das der „Schurkenstaaten“ könnten einen dazu verleiten, die Frage positiv zu beantworten. Das hiesse aber wohl doch, das ideologische Gerüst dieses Films allzu sehr zu belasten.
Denkbar wäre aber auch, dem Filmtitel ein - zugegeben - etwas gewagtes Fragezeichen mitzugeben. Ist das Land, in dem ein sadistischer Killer ungestört umgeht, nicht grade eins für „alte Männer“? Könnte es nicht sein, dass diesen der Mut fehlt, sie selbst zu werden und dem Killer ins Auge zu blicken? Zwei "gute" Hauptfiguren legen dann auch Schwächen an den Tag, die dies verhindern: Sheriff Bell spielt einfach zu gern „Cowboy“. Vegteran Moss würde lieber mit schlechtem Gewissen und viel Geld leben. Natürlich sind sie alle irgendwann wirkliche oder mögliche Opfer des Killers.
Zwei relativ nebensächliche Frauengestalten gewinnen in dieser Perspektive Profil. Da ist die resolute Dame mit Doppelkinn, die dem Killer Chigurh eine Auskunft verweigert und trotzdem – entgegen der Zuschauererwartung - mit dem Leben davon kommt. Und da ist ganz besonders die Ehefrau von Moss, die dessen Jagd nach Geld unlustig aber mit rührender Gattenliebe mitmacht, doch angesichts des Todes nicht auf ihr Selbstbestimmungsrecht verzichtet.
Chigurh will sie umbringen, weil er es nun einmal so beschlossen hat. Er kann nicht anders, sagt er. Du kannst anders, sagt sein Opfer; denn du kannst dich frei entscheiden. Worauf der Killer, der wieder einmal den bösen Gott spielt, ihr die schon bekannte Wette anbietet: Kopf oder Zahl – Tod oder Leben. Die Frau lehnt ab. Ihr Tod wird nicht gezeigt. Wer sich auf des Sadisten Spiel nicht einlässt, kommt mal mit dem Leben davon, mal nicht. Aber er (d.h. bezeichnenderweise "sie") behält das Gesetz des Handelns in der Hand. Kein Land für alte, gewaltbereite, unentschlossene Männer. Das Land wäre besser dran, wenn das weibliche Prinzip des Verhandelns und der Verweigerung nicht ausser Kraft gesetzt wäre.

Denkt man sich die Gewaltorgie von „No country for old man“ als Alptraum in den Kopf eines alten, erfahrenen und weise gewordenen Sheriffs, entsteht daraus ein Bilderbogen der Gewalt und ihrer in Wirklichkeit begrenzten Möglichkeiten. Wie so oft kämpft das Gute mit Waffen der Vernunft aber ein wenig feige auf verlorenem Posten gegen das grenzenlos Böse. Das Gute unterliegt mal wieder mit schlechtem Gewissen. Dies Alptraumland ist ein Land für niemand, ein Alptraum, den nur des Kinos wirklich werden lässt. Gewalt im Kino ist – wie alles andere im Film - kein Abbild der Wirklichkeit sondern eine Galerie unserer Bilder dafür.
Der Kinogänger darf sich also gefahrlos an allem weiden, weswegen er das Kino liebt. Seine schlimmsten Ahnungen treten ins Leben und leben sich aus. Das Verbotenste wird Wirklichkeit und auf der Leinwand nicht einmal in die Schranken gewiesen. Amerika entfaltet seine gefürchtete und geliebte Faszination. Alle kommen um, Hollywood siegt. Sollte jemand dabei Reue über die eigene Freude an der Gewalt empfinden, darf er sich sogar darauf zurückziehen, dass nicht seinesgleichen sondern ein Psychopath verantwortlich für alles ist. Das Böse ist krank, das Gute normal. Das allerdings ist nur im Kino so.



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