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Title Iris
Originaltitle: Iris
Regie: Richard Eyre
Darsteller: Kate Winslet, Hugh Bonneville, Judi Dench
Erscheinungsjahr: 2001
Land: UK
Stichwort: Alzheimer-Krankheit, Demenz
Release: 14.12.2001

Handlung
Erzählt werden 43 gemeinsame Ehejahre der irischen Philosophieprofessorin und Schriftstellerin Iris Murdoch (1919 bis 1999) mit dem Literaturprofessor John Bayley. 1997 diagnostizieren die Ärzte Alzheimer-Krankheit. Die Filmerzählung "pendelt" zwischen den Jahren des Kennenlernens und den Jahren der ausbrechenden, schliesslich tödlichen Krankheit. Bayley erlebt seine Frau - in Liebe und Hass - als eine starke Frau, die durch die Krankheit der (Selbst)vergessenheit nicht ausgelöscht wird.



Weitere Info
Als Beschreibung einer ungewöhnlichen Beziehung ist der Film mindestens so anrührend wie in der Darstellung des Verlorenseins durch ein nachlassendes Wissen von sich und der eigenen Vergangenheit. Bayley sucht in Murdochs Verzweiflung und Ausbrüchen noch die Geheimnisse zu entdecken, die seine Frau immer schon für sich behalten hat. Damit gibt er der rudimentalen Existenz einer brillianten Intellektuellen bis zuletzt einen Sinn, den sie selbst nicht mehr zu vermitteln weiss. Die Jugendszenen des Films kontrastieren gelungen mit der Altersvergessenheit. Sie lassen etwas von den verstörenden Geheimnissen ahnen, die selbst liebenswürdige und sehr vernünftige Menschen vor anderen verbergen können.
Gezeigt wird vornehmlich die tragisch-intellektuelle Seite der Krankheit, während der Pflegefall Murdoch episodenhaft und leicht vergoldet gezeigt wird. Das Leben ohne Orientierung erscheint in dieser Perspektive als eine weitere Form englischer Verschrobenheit. Glücklich, wer dies so sehen kann.
Den pflegenden Verwandten und Freunden von Personen mit Alzheimer-Krankheit wird dieses Bild kaum vertraut sein. Die vergoldende Perspektive lässt dann auch den realistischen Wutausbruch des Professors kaum verständlich erscheinen. Nimmt man ihn als Durchbruch einer endlich realistischen Sicht des Leidens auch (oder grade, wie manchmal suggeriert wird) der Angehörigen an der Altersdemenz, so erkennt man, dass Orientierungslosigkeit Höllenqualen zu provozieren geeignet ist. Und dass keine Liebe der Welt davor schützt, eine geliebte, leidende Person zum Teufel zu wünschen.

"Murdoch studierte klassische und alte Geschichte sowie Philosophie am Somerville College der Universität Oxford. Am Newnham College der Universität Cambridge promovierte sie bei Ludwig Wittgenstein in Philosophie. Im Jahr 1948 wurde sie Fellow am St Anne's College der Universität Oxford.
Sie schrieb 1954 ihren ersten Roman Unter dem Netz (engl.: Under the Net), nachdem sie zuvor schon philosophische Abhandlungen veröffentlicht hatte, unter anderem die erste englischsprachige Studie über Jean-Paul Sartre. Sie lernte 1956 in Oxford ihren späteren Ehemann John Bayley kennen, einen Professor für Englische Literatur und ebenfalls Schriftsteller. Danach schrieb sie weitere 25 Romane, andere philosophische Arbeiten und Dramen bis ins Jahr 1995, als die ersten Symptome der Alzheimer-Krankheit einsetzten, die sie am Anfang für eine Schreibblockade hielt.
Murdoch erhielt 1978 den Booker Prize für Das Meer, das Meer (engl.: The Sea, the Sea), einen äußerst detailreichen Roman über die Kraft der Liebe und des Verlustes: Ein ehemaliger Schauspieler wird von Eifersucht überwältigt, als er seine ehemalige große Liebe nach mehreren Jahrzehnten wieder trifft.
Im Jahre 1987 wurde sie zur „Dame Commander“ (DBE) des britischen Ritterordens Order of the British Empire ernannt..............

Richard Eyres Film Iris (2001) beruht auf den Memoiren ihres Ehemannes aus der Zeit vom Beginn der Alzheimer-Krankheit bis zu ihrem Tod 1999. ...............Der britische Schriftsteller A. N. Wilson hat im Jahr 2003 eine Biographie über Murdoch verfasst: Iris Murdoch as I Knew Her (Iris Murdoch wie ich sie kannte). Dieses Buch wurde von der britischen Zeitschrift The Guardian als „spitzbübische Offenbarung“ und als „recht spektakulär ungezogen“ bezeichnet. [1] Wilson selbst nannte sein Buch eine „Anti-Biografie“ und beschreibt darin Murdochs sexuelle Freizügigkeit und Untreue: dass sie „in Akten des Betrugs aufblühte“, rücksichtslos war und „bereit, mit fast jedem ins Bett zu gehen“ (Wilson 2003)." .............

Peter J. Conradi: Iris Murdoch. Deuticke, Wien 2002 (eng. Iris Murdoch. A Life. HarperCollins, London 2001.). ISDN 3-216-30647-X
Telling tales. von A.N. Wilson, in: The Guardian. London 6. September 2003 (englisch). ISSN 0261-3077
I'm Mr. Evil. von Matt Seaton, in: The Guardian. London 3. September 2003 (englisch). ISSN 0261-3077
John Bayley: Elegie für Iris. Aus dem Engl. von Barbara Rojahn-Deyk. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46064-X
J. Bayley: Iris, A Memoir of Iris Murdoch. Abacus, London 1998, 2002, ISBN 0-349-11215-0
J. Bayley: Iris and Her Friends. Abacus, London 1999, 2000, ISBN 0-349-11310-6
A. N. Wilson: Iris Murdoch as I Knew Her. Hutchinson, London 2003, ISBN 0091742463
(Wikipedia)


Kultur SPIEGEL 5/2002 vom 29.04.2002, Seite 10
Autor: SUSANNE BEYER

Liebe in Zeiten von Alzheimer

Die Schriftstellerin Iris Murdoch war sehr britisch, sehr intellektuell und schließlich sehr krank. Über ihre 43 gemeinsamen Ehejahre hat der Literaturprofessor John Bayley ein Buch geschrieben - das nun mit Kate Winslet in der Hauptrolle verfilmt wurde.

Er kochte, sie schrieb ihren Roman, er kaufte ein, sie schrieb, er räumte die Küche auf, und sie saß in ihrem Arbeitszimmer und schrieb. Natürlich hielt John Bayley den Haushalt eher schlecht als recht in Schwung, denn schließlich hatte er als Literaturkritiker, Shakespeare-Experte und Anglistik-Professor in Oxford Arbeit genug. Doch in seiner Ehe mit der Schriftstellerin Iris Murdoch teilte er sich selbst die Rolle des Fürsorglichen zu, des Mannes im Schatten einer großen Frau - sie übernahm die Rolle des Genies.

Murdoch, die studierte Philosophin, versuchte ihre Leidenschaft für abstrakte Denkmodelle mit ihrer Lust am Fabulieren zu verbinden. Sie schrieb 27 Romane ("Der schwarze Prinz", "Das Meer, das Meer"), in denen sie ganz nebenbei Grundthemen der Philosophie erörterte, Fragen des freien Willens und des ethischen Verhaltens. Mit jedem Roman wuchs ihr Ansehen. Murdoch wurde zur englischen Vorzeige-Intellektuellen, zur Booker-Preisträgerin und "Dame of the British Empire". Bayley begleitete sie zu allen Ehrungen, lächelte hintersinnig und fühlte sich auf stille Weise mit geehrt. Er genoss die Aufgabenverteilung in der Ehe.

Und dann, im Herbst 1996, wurde Iris Murdoch krank. Alzheimer. Gedächtnisschwund. Sie verlor ihre Sprache, ihren sprühenden Verstand und damit ihre Identität. Nun musste sich ihr Mann noch mehr um sie kümmern und zusätzlich die ungewohnte Rolle des Dominanten einnehmen. Verstört setzte sich Bayley hin und fing seinerseits an zu schreiben: ein humor- und zugleich würdevolles Protokoll ihrer Krankheit und einen wehmütigen Rückblick auf ihr gemeinsames Leben. Als das Buch, die "Elegie für Iris", in England erschien, lebte Iris Murdoch noch. Doch wenige Monate später hörte sie auf zu essen, zu trinken, und im Februar 1999 starb sie schließlich - sie war 79 Jahre alt.

John Bayley, der sechs Jahre Jüngere, hatte nach ihrem Tod zweierlei zu verkraften: die schwierige erste Zeit der Witwerschaft und den unerwarteten internationalen Erfolg seines Buches. Die "Elegie für Iris" wurde jetzt sogar verfilmt; der englische Regisseur Richard Eyre nahm sich des schwierigen Stoffes an und hatte damit ebenfalls Glück. Der Film "Iris" wurde dieses Jahr für drei Oscars nominiert, Jim Broadbent, der Darsteller des älteren John Bayley, hat schließlich einen bekommen.

Nun ist der Professor also selbst prominent, als Leinwandheld gewürdigt, seine Frau, so wirkt es, stellt er beinahe in den Schatten. Doch ihn scheint die Umkehrung der Verhältnisse eher zu stören. Denn als Person des öffentlichen Interesses hat er ein ernstes Problem: Er kann nicht repräsentieren, schon gar nicht sich selbst, das dürfte jeder, der ihn besucht, sofort bemerken.

Das Haus, in dem er lebt, steht zwar im feinen Norden Oxfords, aber es wirkt auf versonnene Weise verwahrlost. Das schmiedeeiserne Tor ist ausgehebelt und liegt achtlos neben dem Eingang. Ein Trampelpfad schlängelt sich durch wild wucherndes Gras zur Haustür, die Blumenbeete haben sich eigenmächtig neue Plätze gesucht, und von der haushohen Magnolie rieseln die Blütenblätter wie riesige Schneeflocken herab. Es scheint, als wolle der Garten in seiner träumerischen Selbstvergessenheit in Ruhe gelassen werden.

Ganz so wie sein Besitzer. Die Klingel an der Haustür funktioniert nicht. Wer John Bayley wirklich sprechen will, muss für unliebsamen Tumult sorgen: klopfen und rufen. Irgendwann, mit Glück, erscheint dann der Hausherr und demonstriert mit seiner ganzen Erscheinung, dass das üppig grüne Chaos vor seiner Haustür durchaus seinem Geschmack entspricht: ein hellgelber Frühstücksfleck prangt auf seinem graublauen Pullover, die weißen Haare an den Schläfen wurden offensichtlich schon lange nicht mehr gestutzt.

John Bayley, 77, mag nichts beschönigen oder für die Außenwelt korrigieren, er lässt den Dingen ihren Lauf, und ob es Gras ist oder Haare, die da unkontrolliert wuchern - er greift nicht ein. Und genau diese Weigerung zu beschönigen, zu begradigen oder zu verkitschen, macht seine Lebenserinnerungen - die "Elegie für Iris", aber auch sein neues --- S.13 Buch "Das Haus des Witwers" - so eindrucksvoll.

Bayley schildert die Schrecken der Alzheimerschen Krankheit und zeigt, was für eine Tortur es war, mitanzusehen, wie seine Frau Geist, Intelligenz und sich selbst verlor, wie sie am Ende kaum noch sprechen konnte, höchstens ein hilflos-zärtliches "wauwau" hervorbrachte.

Zugleich jedoch macht Bayley deutlich, dass die Krankheit auf verschrobene Weise die Intimität ihrer Beziehung verstärkte. Deshalb trauerte er nach Murdochs Tod besonders den knapp drei Jahren nach, in denen sie krank gewesen war - in 43 Jahren Ehe seien das die intensivsten gewesen.

"Alzheimer macht den Kern eines Charakters sichtbar", erklärt Bayley, "Iris benahm sich wie ein sehr braves, sehr anhängliches Kind." Diese verspielte Seite habe sich immer angedeutet, "und so konnte ich mit der extrem kindlichen Kranken ganz gut leben".

Vielleicht kann Bayley sich mit dem Schicksal so gut arrangieren, weil er voller Humor und Selbstironie auf seine Ehe blickt. So amüsiert er sich immer noch köstlich, wenn er sich daran erinnert, dass er Iris zunächst überhaupt nicht attraktiv fand. Bald nachdem er sie näher kennen gelernt hatte, musste er jedoch feststellen, dass sie von allen möglichen und unmöglichen Leuten heiß begehrt wurde. Dann tauchten Liebhaberinnen von Iris auf, und zu allem Unglück erhob noch der Schriftsteller Elias Canetti als amouröser Konkurrent Ansprüche. Fast ungläubig nahm Bayley zur Kenntnis, dass Iris ausgerechnet ihn erwählte, weil, wie er schließlich feststellte, sie sich von ihm Schutz vor der Außenwelt erhoffte. Bei ihrer Hochzeit, so erzählt er, habe sie beschlossen, mit dem exzessiven Leben aufzuhören und endlich anzufangen zu schreiben.

Vielleicht hat der Regisseur Eyre nicht geglaubt, dass Bayleys Selbstironie wirklich echt ist, oder vielleicht schien ihm die schreckliche Seite der Krankheit geeigneter für einen Film. Jedenfalls lässt er Bayleys Humor außen vor und konzentriert sich auf düstere Szenen, lässt Iris brabbeln, herumirren und stumpf in die Gegend stieren.

Als Kontrast zum Verfall zeigt Eyre auch das junge, frisch verliebte Paar, den vitalen Gegenpol zu Alter und Tod. Allerdings hat er damit die eigentlichen Schaffensjahre der Schriftstellerin einfach weggelassen - und damit auch die Darstellung dessen, was Murdoch wirklich ausgemacht hat: ihren außergewöhnlichen Intellekt und ihre unbremsbare Energie.

Die Schauspielerinnen aber leisten Famoses. Vor allem die Britin Kate Winslet, als lieblicher und ausstaffierter "Titanic"-Star berühmt geworden, präsentiert sich von einer überraschenden Seite: herb und strubbelhaarig. Wenn sie Iris Murdoch im Disput zeigt, kneift sie ihre Augen und ihre vollen Lippen so konzentriert zusammen, als zähle wirklich nur der Gedanke und nicht die schöne Form. Sie trägt langweilige Blusen, abgeschabte Pullover und Röcke von unvorteilhafter Dreiviertellänge, man sieht sie nackt beim Baden - aber auch da wirkt sie nicht wie eine sinnliche Nixe, sondern eher wie ein burschikoser Kumpel. Bei allem Verzicht auf verführerische Attribute gelingt es Winslet dennoch, Murdochs enorme Anziehungskraft glaubhaft zu machen. Sie setzt auf Präsenz und Temperament.

Judi Dench, Darstellerin der älteren Iris, kommt ebenfalls der echten Murdoch nahe, durch kleine Gesten strahlt sie eine stille Würde aus. Die beiden Bayley-Darsteller jedoch entschieden sich für eine täppische Karikatur des zerzausten Professors.

So verwundert es nicht, dass der echte Bayley sich darin kaum erkennen mag. Aber er hält innere Distanz und betont, dass der Film ein eigenständiges Kunstwerk sei. Sollen die Zuschauer doch von John Bayley denken, was sie wollen.

Ohnehin ist ihm der Trubel um sich und um Iris zu viel. Befremdet nimmt er wahr, dass sich die britische Presse empört darauf einschwor, dass er zu früh, nach nur einjähriger Witwerschaft, noch einmal heiratete - Audi, eine der besten Freundinnen von Iris.

Doch diese Ehe schützt ihn vor den gefürchteten Frauen, die ihn nach Murdochs Tod bekochen und bezirzen wollten und darauf aus waren - so schildert Bayley es in seinem zweiten Buch -, seine ergraute durch blütenweiße Unterwäsche zu ersetzen. Manche drohten sogar an, das auf geliebte Weise verwahrloste Haus in Ordnung zu bringen.

Audi aber ist so gelassen wie Iris. Sie will nicht aufräumen, und sie hat nichts dagegen, wenn er in der Küche herumwuselt. Und so wachsen die Haare an seinen Schläfen und das Gras vor seinem Haus weiter vor sich hin, ganz so wie damals, als Iris noch lebte.

Filmstart "Iris": 16. Mai. Bücher von John Bayley: "Elegie für Iris". C. H. Beck Verlag; 260 Seiten; 19,50 Euro (auch erhältlich als dtv-Taschenbuch; 9,50 Euro); "Das Haus des Witwers". C. H. Beck Verlag; 272 Seiten; 18,50 Euro.
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=22232543&top=SPIEGEL



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