Kommentar: |
PI ist das Erstlingswerk von Darren Aronofsky (REQUIEM FOR A DREAM, THE FOUNTAIN).Epilepsie und ParanoiaMaximilian Cohen, den der Film unmittelbar und übergross mit viel Licht und Schatten einführt, und der die Handlung mit seinen (Wahn)vorstellungen völlig dominiert, glaubt der Weltformel auf der Spur zu sein. Schon als Kind hat er sein mathematisches Genie offenbart. Seitdem hält ihn aber auch eine ungenannte Krankheit im Griff.Cohen sucht seine mathematischen Hypothesen anhand von Computerbrechnungen zu verifizieren. Ihr Kern lautet: „Mathematics ist the language of nature.“ und „There are patterns everywhere in nature.“ Als Belege dafür wird er u.a. in den Bereichen Religion (Kabbala), Weltwirtschaft (Börse), Medizin (Medikamente) Berechnungen und Versuche anstellen. All das wird ohne Resultat bleiben, wie ihm sein altersweise gewordener Lehrer vorhersagt. Im Verlauf des Films wird im Zuschauer aber auch der Verdacht geweckt, ob Cohen nicht schon längst wissenschaftlich, methodische Wege verlassen und auf krankhafte Abwege geraten. Bald schon geraten die wissenschaftliche Sprache und die Hardware, in deren Inneren Cohen praktisch zu leben scheint, zu pseudowissenschaftlichen Phantasien, die von cineastischer Science Fiction und Horrorvisionen nicht weit entfernt sind. Diese Seite des Films gewinnt Szene für Szene die Überhand und kann auch als Kritik der Autoren an den Jüngern mysteriöser Zahlenspiele gesehen werden.Seine nicht spezifizierten doch deutlich an epileptische Phänomene angelehnten Anfälle – so teilt der Ich-Erzähler mit – gegen auf das Übertreten eines mütterlichen Verbotes zurück: „Starre nicht in die Sonne.“ Nachdem er dies als Kind doch getan hat und dabei erblindet ist, beginnt seine faustische „Höllenfahrt“. Von der Blindheit wird Cohe geheilt. Er fühlt sich danach seelisch jedoch verändert. Die ersten Kopfschmerzen setzen ein. Die ihn von Zeit zu Zeit wieder überfallenden Anfälle setzen mit dem Zittern und Zucken der linken Hand ein. Das Zittern erfasst zugleich mit heftigsten Kopfschmerzen den ganzen Körper. Erschreckende Bilder wie etwa ein Mann, von dessen rechter Hand Blut herabfliesst, stellen sich ein. In der Regel folgt darauf ein Black out, den der Film als Weissblende erfahrbar macht. Cohens reale Umwelt verwandelt sich nun unmerklich in eine Albtraumwelt gleicher Gestalt, in der aber Dinge passieren, die anscheinend nur Cohen wahrnimmt. Er wacht dann mit Nasenbluten wieder auf.Eine der suggestiven Halluzinationen zeigt Cohen in den Gängen derr New Yorker Underground. Vor ihm liegt ein offenes Gehirn, das er mit einem Kugelschreiber stimuliert. Es ist sein eigenes Gehiorn. Kaum berührt er den Kortex, dreht er sich um. Als er tiefer in die graue Masse sticht, verliert er das Bewusstsein.Cohen entfernt immer mehr „das Leben“ von: das Kind, das Zahlenspiele mit ihm macht und dabei seine realen mathematischen Fähigkeiten auf die Probe stellt; die junge Frau, die ihn begehrenswert findet; den Lehrer Sol, der nach einem Infarkt Intuition über die ratio stellt.Immer stärker bindet er sich an „dunkel“ aber zielstrebige Kräfte: jüdische Orthodoxie, Börsenspekulanten. Der Superchip, den ihn die Spekulanten zur Verfügung stellen, errechnet aus seinen Vorgaben erst eine endlose Reihe von Nullen. Cohen wird von einem neuen Anfall überwältigt. Dann eröffnet sich ihm – offensichtlich in der halluzinierten Welt – eine rätselhafte Zahlenreihe. Ob nun in dieser oder in der realen Welt, suchen seine „Verbündeten“ sich seiner Ergebnisse zu bemächtigen. Die Kabbalisten erweisen sich dabei nicht wenig gewalttätig als die Spekulanten.Cohen glaubt sich einen Schritt vor der Lösung. Sein Lehrer bestätigt ihn darin, behauptet aber, der nächste Schritt sei der Tod.Nach dem plötzlichen Tod seines Freundes Sol zerstört Cohen in der bewussten Phase seines Anfalls seinen Computer. Statt des sonstigen Black outs sieht er sich selbst in perfektem weissen Licht Zahlen aufsagend langsam verbleichend. In die zerstörte Wirklichkeit zurückgekehrt verbrennt er die Notiz mit der magischen Zahl von 216 Stellen. Danach bohrt er sich ein Loch in die rechte Schläfe. Danach ist das Rätsel um seine Halluzinationen gelüftet. Cohen ist als traurig lächelnder Normalmensch zurückgekehrt. Seine mathematischen Fähigkeiten sind verloren. Das Kind kann nun seine Rechenaufgaben, die Max hilflos lassen, mit Hilfe eines Taschenrechner allein bewältigen.Dieser spannende, gut gemachte und bildermächtige Film kann gegen den Strich und gegen jede Paranoia gebürstet gesehen werden. Cohen gleicht über weite Strecken jenen Mitbürgern, deren Fantasien jeder gern zuhört im Wissen, dass sie gegen die sturznormale Sicht der Dinge keinen Bestand haben können. Auch in diesem Aspekt – und nicht nur in der üblichen Szenerie – hat der Film einiges vom Thriller- und Horrorgenre. Die Überzeugungskraft von Menschen mit fixen Ideen ist ja zuweilen umgekehrt proportional zum Realitätsgehalt derselben.Vielleicht ist es eine der grossen Faszinationen von Träumen und Halluzinationen, dass in ihnen alles solange stimmt, solange sie dauern. Das Drama von Menschen mit Epilepsie – und nicht nur ihres – ist ja, dass sie fürchten müssen, auf ihre Umwelt gerade mit ihren intimsten, eigentümlichsten und wiederkehrenden Erfahrung unglaubwürdig zu wirken. Cohen hat nur in seiner Welt Recht. Und der Film gibt nachvollziehbar diese Welt wieder. Das mathematische Genie, die futuristische Hardware, Kabbala und Spekulation sind dagegen nur aufgesetzt. Aufschlussreich für Cohen’s pseudo-wissenschaftliches Vorgehen ist der Medikamenten-Cocktail, dem er sich im „Selbstversuch“ unterwirft: „11 Uhr 11. Ergebnisse. Bisher fehlgeschlagene Behandlungsmethoden: Betablocker, Calciumblocker, Adrenalininjektion, hohe Dosen Ibuprofen, Anabolika, Zytostatika, viel frische Luft, Caprigo-Zäpfchen, Koffein, Akupunktur, Marihuana, Perkodan, Midrin, Tenormin, Sansert, Homöopathie. Keine Resultate. Keine Resultate.“ Das hätte ihm auch ein medizinischer Laie vorhersagen können. Ob es mit Cohens Mathematik und der Ernsthaftigkeit der ihn belagernder Börsianer und der Kenntnis der Kabbala bei seinen orthodoxen Mitstreitern ebenso steht? Zumindest was das Börsengeschäft angeht, könnte "Pi" darüber aufklären, warum es dem Roulete so viel ähnlicher ist als der Wirtschafts- und Betriebswissenschaft.Gewisse Anzeichen dafür, dass Cohen nicht nur anfallartig sondern systematisch halluziniert, finden sich im Verlauf des Films. Wie kann z.B. ein „genialer Mathematiker und Zahlenfetischist“ so ahnungslos zur Kabbala stehen wie Cohen, dass er sich darüber bei einem Kaffeehausbesuch aufbeklärt werden muss? Die finsteren Börsenspekulanten scheinen ebenso wie die bärtigen Kabbalisten dem Hirn Jedermanns entsprungen zu sein. Als Horrorstaffage tun sie allerdings gute Dienste.„Pi“ gehört zu jener Gruppe von Filmen, in der nie von Epilepsie die Rede ist, denen aber in immer wiederkehrenden Symptomen das Schicksal einer „extremen Epilepsie“ (wie es – diesmal direkt – in „Wide Awake“ heisst) zu Grunde liegt. (stefan heiner)
Pi: Knowing the Unknown
Brooke J. Cannon, Ph.D.
(From the Turkish electronic publication Psinema, 2008 Issue 2.)
The film Pi by writer/director Darren Aronofsky (1998) is an intense story of a reclusive mathematician’s pursuit of the ultimate numeric code, the pattern found in all things: “I’m looking for a way to understand our world.” Pi was shot on location in New York City, Aronofsky’s hometown, with only a budget of $60,000. Aronofsky set scenes in friends’ apartments, illegally filmed in the subway at night to avoid paying for a permit, and both he and his father stood in for a background actor who failed to appear. Despite the limited financing, the resulting film is remarkable in its visuals and sound and it has a most engaging story. Aronofsky attended to sound and camerawork throughout the movie. We see the workings of Max’s mind through voiceovers of his internal dialogue and various sound effects and music choices, as well as camera movements and angles.
Max Cohen (Sean Gullette) spends his days in a small, computer-filled apartment attempting to statistically predict stock values. He has limited social contact, yet is seemingly liked by his neighbors, including a young girl who enjoys quizzing him with a calculator, demonstrating his mathematical genius. Max also visits his former teacher, Sol (Mark Margolis), a retired math professor, with whom he plays Go.
Prominent in the movie are Max’s episodes of severe headaches, preceded by a twitching thumb, followed by paranoid hallucinations, and ending with a “white void” during which Max is at peace. He tries various drug treatments, including self-injection, without success.
We learn that Max’s headaches began when he was age 6. He stared into the sun for so long that he developed solar retinopathy, burning his retinas, causing temporary blindness. He also had a mystical experience at that time: “….everything came into focus and for a moment, I understood.”
Through several chance meetings with a Kabbalah recruiter, Max is introduced to the concepts of numbers in the Hebrew alphabet. He moves from stock predictions to mathematical explorations of shapes and the magic of the number π.
Max now believes that he is on the verge of discovering the pattern that is present in all things. Citing Pythagorus, Max starts to see the universe as “made of numbers.” He studies the “Golden Ratio,” such as the Golden Rectangle which can be reduced into smaller perfectly proportioned rectangles for infinity. He thinks of DaVinci’s use of the Golden Spiral, generated from the Golden Rectangle and found throughout nature in seashells, fingerprints, whirlpools.
The Kabbalah scholars were searching for patterns in the Torah and Max now offers to help. At this point, he has a mission and becomes more focused, more driven, less repetitive in his actions. He uploads the Hebrew alphabet into his computer and also is given a special computer “Ming-Mecca chip” by another group recruiting him to predict stock values. With these additions, his homemade computer, Euclid, generates a long string of digits, just over 200 numbers, before crashing. Max was not able to print the whole number string; however, he saw the numbers on the computer monitor and has them “in his head,” literally, discovering a bulging vein on his scalp. He consults with Sol, who states that the same thing happened with his computer when he was working on analysis of π, and that just prior to crashing, his computer became “conscious” of its imminent demise and generated such a number. Max now believes that this number is the key. Sol warns,
“This is insanity Max…you want to find the number 216 in the world, you’ll find it everywhere – 216 steps from street corner to your front door, 216 seconds you spend riding on the elevator. When your mind becomes obsessed with anything, you will filter everything else out and find that thing everywhere….as soon as you discard scientific rigor, you’re no longer a mathematician, you’re a numerologist!”
Max now is in danger from those who want this number. The Kabbalah rabbi believes that the number in Max’s head is the “true name of God,” which is 216 Hebrew characters long. Max now realizes that he “saw God,” but the Kabbalah group warn that only the “pure” could see God, that Max is a vessel sent to deliver the number to them; keeping the number to himself will be fatal. Max vows to keep the number; HE found it and he can understand it.
Going to visit Sol, Max learns that Sol died of a second stroke (his first stroke was what caused him to stop studying π). Max finds a note on the Go board, which is arranged into a Golden Spiral; the note is the string of 216 numbers. Now seeing the danger of knowing the number, Max destroys his computers, burns the written page of numbers, and then “removes” the number from his head.
At the end of the movie, we see Max enjoying the trees in the park while his young neighbor is again quizzing him with her calculator. This time, however, when she asks him a challenging math problem, Max states with a smile (his first in the movie), “I don’t know.”
So, this appears to be the story of a man who found a reality which is universally present, yet transcends human comprehension. Like staring at the sun, it was dangerous to hold this knowledge, and only when he rid his mind of it was he able to find contentment.
We might be satisfied with such a mystical interpretation of the film. However, just as Max looked for a logical explanation of the unknown, it is possible to apply a different, more scientific, explanation to the film: consider temporal lobe epilepsy.
Might Max have been experiencing seizures, rather than simply headaches? Each event appeared to have an aura (twitching thumb, headache) and then experiences of intense fear followed by an existential experience, returning to consciousness with a nosebleed. All of these symptoms may be part of a seizure episode. Patients with temporal lobe seizures, particularly those also involving the limbic system, often have similar mystical or emotional experiences. Intense fear may occur during a seizure if it involves activation of the amygdala. Some forms of seizures also may involve staring episodes – perhaps Max had his first seizure at age 6, causing him to stare into the sun and then have his first existential experience?
There have been many accounts of people having mystical experiences during temporal lobe seizures, including several famous figures. For example, the great Russian novelist and existentialist Fyodor Dostoevsky wrote of his seizures in his personal journals and of epilepsy in his novels, particularly in The Idiot. Scanlon, in hisDostoevsky the Thinker (2002), provides a reported description by Dostoevsky of his own “ecstatic” seizure experiences: “…I feel a complete harmony in myself and in all the world, and this feeling is so powerful and so sweet that for a few seconds of such bliss one would give ten years of one’s life, perhaps all of one’s life” (p. 49).
Ramachandran of the University of California in San Diego has found a connection between religious experiences and temporal lobe epilepsy, citing numerous cases of hyperreligiosity after the onset of temporal lobe epilepsy. These patients believe that they have a special understanding of the universe; they find all objects to be infused with meaning. Such a perception may again involve overactivity of the amygdala.
Further similarities between temporal lobe epilepsy and Max involve his behavior between seizures. In 1978 Geschwind first ascribed an “interictal personality” to some patients with this type of epilepsy, including characteristics such as paranoia, focus on religion and philosophical matters, obsessiveness, lack of humor, and excessive writing (hypergraphia). Max displays all of these behaviors in the film.
Finally, let’s consider the film’s ending. Max “removes” the number from his head with a drill. Is this meant to reflect trephining, the ancient method to release evil spirits? Or was it psychosurgery to relieve epilepsy?
Then again, Aronofsky has never indicated that he had epilepsy in mind when writing this film. He refers to migraine headaches only and intentionally does not explain areas of ambiguity.
Thus, we can enjoy Pi for its mysticism or for its portrayal of a neurological illness. Perhaps, like Max, when we obsessively look for something we find it everywhere, whether it really exists or not.
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