Kommentar: |
Die Anfälle setzen krampfartig ein. Manchmal liegt Dickinson am Boden. Ihr ganzer Körper - Arme, Beine, Kopf - wird von Krämpfen geschüttelt. Sie scheint bei Bewusstsein zu bleiben und erreicht zuweilen sogar noch das Bett. Ihr Arzt erwähnt die Brightsche Krankheit (Niere). Sie kann nach seinen Auskünften nicht geheilt werden.
"Der Ausdruck 'Brightsche Krankheit' ist eine ältere Bezeichnung für die umfassende diagnostische Kategorie, die heutzutage den Namen Glomerulonephritis trägt. Dies ist ein Leiden mit zahlreichen zugrundeliegenden Ursachen, die allesamt durch eine Verletzung oder Entzündung der primären (mikroskopischen) Filtrationsstruktur der Nieren – Glomerulus genannt – charakterisiert werden. Eine Glomerulunephritis zeigt sich normalerweise als eine Konstellation von Befunden, die Hämaturie (Blut im Urin, entweder grob oder mikroskopisch), Proteinurie (Protein im Urin), Ödeme (Schwellungen des Körpers) und häufig Hypertension (hoher Blutdruck) umfassen."
https://de.wikihow.com/Die-Brightsche-Krankheit-verstehen
In:
https://books.google.it/books?id=bYQXAQAAMAAJ&pg=PA378&lpg=PA378&dq=Bright%27s+Krankheit+epilep&source=bl&ots=xuMSfkEh65&sig=MPwzvvwZmX6HKluEsRFz27raGoU&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj2yLWhgrTWAhVkLsAKHfrxAlMQ6AEIOzAF#v=onepage&q=Bright%27s%20Krankheit%20epilep&f=false
ist von "Complicationen" die Rede, u.a. epileptische Anfälle".
Beatrice Behn (kino-zeit.de)
"Ein besonderer Niemand
Ich bin Niemand! Wer bist Du? / Zum - Niemand - auch ernannt? / Dann paßt Du gut zu Mir dazu! / Sag' nichts! - sonst wird's - bekannt! (Emily Dickinson)
A Quiet Passion stellt einen als Kritikerin vor eine schwierige Aufgabe. Wie schreiben über einen Film, der von einer Frau erzählt, die schreibt – jedoch ohne dass der Film sie dabei zeigt. Wie ihre Worte fassen, die eloquent und spitz ihre Situation beschreiben, doch gleichzeitig so flüchtig sind und so schnell verblassen wie die Autorin? Beginnen wir also beim Greifbaren, bei den Fakten.
Sie, das junge, blasse Mädchen, wird einst die berühmteste Dichterin der USA sein. Doch davon weiß Emily Dickinson (in jungen Jahren: Emma Bell, in späteren Jahren: Cynthia Nixon) nichts. Sie wird sogar sterben, ohne es zu wissen. Was sie aber weiß, von Kindesbeinen an, ist, dass sie anders ist. Stur, würden die einen sagen, non-konform und sich selbst stets treu, die anderen. Terrence Davies' A Quiet Passion portraitiert nun diese außergewöhnliche Frau.
In der Schule gehänselt, im College der Häme ausgesetzt, kehrt Emily Dickinson alsbald in den Schoß ihrer Familie nach Massachusetts zurück. Hier wird sie Zeit ihres Lebens bleiben, eng an die Familie angeschlossen: Vater, Mutter, Schwester Vinnie (Jennifer Ehle) und ihr Bruder Austen sind ihr Universum. Nirgendwo anders will sie sein – und so verbringt sie dort ihr Leben. In der Nacht, immer ab drei Uhr, schreibt Emily Gedichte. Ihr Vater hat es erlaubt, solange sie niemanden dabei stört. Jede Nacht ein Gedicht – Emilys Œuvre nimmt beträchtliche Ausmaße an. Ein paar ihrer Werke werden in der Zeitung veröffentlicht. Abgeändert und stets ohne Namen, denn es schickt sich nicht für eine Frau zu schreiben. Vor allem nicht für solch eine fragile und unverheiratete wie sie. Als hässlich empfindet sie sich und manchmal auch als nicht liebenswürdig, vor allem nach dem Ausbruch ihrer Nierenkrankkheit, an der sie im Alter von 56 Jahren auch sterben wird.
Das Schreiben, den Akt selbst, fängt Davies' Film niemals so recht ein. Immer bricht sie ab, ist fertig, wird von anderen gestört. Der Akt selbst bleibt das große Geheimnis des Filmes, der jedoch immer wieder ihre geschriebenen und nun berühmten Worte von ihr sprechen lässt. Sie kommentieren das Innenleben der komplexen Frau, das sich ohne diese Worte gar nicht fassen lassen würde. Der Rest dieser Emily Dickinson ist streng. Streng gescheitelt, in strengen Kleidern und mit einem strengen Intellekt, der sie selbst kasteit und auch andere (mal zu Recht, mal nicht) stets an den höchsten moralischen Maßstäben misst. Aber A Quiet Passion ist kein strenger und vor allem kein stiller Film, wie der Titel vielleicht vermuten lässt. Vielmehr ist er ein Gefecht, ein Krieg – und Worte sind die Waffen. Wie mit Maschinengewehren werfen die ProtagonistInnen Aphorismen hin und her, diskutieren, definieren, referieren über Liebe, Moral und Tod. Und das macht Spaß, es fordert den Zuschauer dazu auf, mitzuhalten bei diesen verbalen Keilereien, die stets auf höchstem Niveau stattfinden.
Ansonsten ist der Film ein klassischer Kostümfilm. Mit einer Ausnahme: Auch wenn die Welt und ihre Figuren streng kadriert sind, die Kamera dieses Filmes ist es nicht. Sie hat die Freiheit, die sich Dickinson selbst zeitlebens versagte. Sie fährt von oben herab, von der Seite heran, schwenkt hin und her, dreht sich im Kreis, fast so als suchte sie die Enge des Dickinsonschen Hauses durch Bewegung zu kompensieren oder die stetig oszillierenden Gedanken seiner Protagonistin zu imitieren. Wie auch immer, der Film macht viel im Kleinen, im Subkutanen. Es brodelt im Kopf und unter der Oberfläche und gibt dem Werk stets das Gefühl von unendlicher Lebenssehnsucht. Leben! Denken! Fühlen! Ohne Kompromisse und stets auf höchstem energetischen Niveau.
Was A Quiet Passion in klassischer Darstellung vernachlässigt, das fängt er in der Essenz wieder ein. Ein Fest für die Sinne und das Verlangen nach dichterischer Passion. Kurzum: wie ein Emily-Dickinson-Poem.
http://www.kino-zeit.de/filme/a-quiet-passion
Der film wirft die Frage auf: Hatte sie epilepsie?
https://www.theguardian.com/books/2017/apr/01/a-quiet-passion-wont-solve-the-mystery-of-emily-dickinson-but-does-the-truth-matter-
In 1882 Emily Dickinson was living as a recluse in the family home in Amherst, Massachusetts, guarded by her sister, Vinnie, when her brother, Austin, began an adulterous affair with Mabel Todd. Mabel was an Amherst College faculty wife, half his age. Austin was the college treasurer. They needed a safe place to conduct their secret liaison. They chose Emily’s house. What did she think of this? We know a great deal about Austin and Mabel’s affair, because both left diaries and letters, which are now kept in Yale’s Sterling Memorial Library. We know nothing of Emily’s view of the affair. We know that she and Mabel never met. We know that Mabel became fascinated by Emily’s poems. And we know that it was Mabel who championed the poems after Emily’s death in 1886 and nagged the publishers Roberts Brothers of Boston to print a small edition in 1890. That edition, reprinted 11 times in the first year, made Dickinson famous.
Since then her fame has grown to legendary proportions. Even in her lifetime she was known in Amherst as “the Myth”. She lived a nun-like existence, wearing only white, seeing no one but her sister, writing poems that almost no one saw, poems of astonishing prickly power. What was going on? It’s all too tempting to speculate, and the speculations have come thick and fast ever since. Did she suffer from acute social anxiety, or epilepsy, or bipolar disorder? Was she lesbian, a proto-feminist, a religious radical, a sexual pioneer? The poems support almost every theory and feed almost every taste. She is the poet of nature – “Inebriate of air am I / And debauchee of dew … ” The poet of loneliness – “The soul selects her own society / Then shuts the door … ” The poet of adventure – “Exultation is the going / Of an inland soul to sea … ” The poet of passion – “Wild nights! Wild nights! / Were I with thee / Wild nights should be / Our luxury!” And famously the poet of death – “Because I could not stop for death / He kindly stopped for me … ” We who love her poems find in them a voice that seems to speak our own secret thoughts. Each of us creates and takes ownership of our own Dickinson, half believing that she went into seclusion in order to make herself our very own secret friend. The result is a steady flow of works about the poet, some biographical, some fictional, that tell startlingly different stories. She was once revered as a priestess of renunciation, while one recent incarnation has given us Dickinson as a sexual predator, having passionate sex with her handyman. After all, didn’t she write “My life had stood – a loaded gun”?
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